Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 9
zm 111, Nr. 9, 1.5.2021, (807) AUS DER FORSCHUNG Antibiotika-Alternative bei Parodontitis? Könnte ein neuer Ansatz zur Bekämpfung von Parodontitis womöglich einen adjuvanten Antibiotika-Einsatz überflüssig machen? Forscher haben einen Wirkstoff entdeckt, der sich selektiv nur gegen die parodontalpathogenen Keime richtet. B isher kommen bei der Parodon- titis-Behandlung häufig Anti- biotika als adjuvante Therapie zum Einsatz, die entweder lokal ap- pliziert oder systemisch verabreicht werden. Dies birgt nicht nur den Nachteil unerwünschter Nebenwir- kungen und Resistenzbildungen, sondern eliminiert auch die mit Gesundheit assoziierten Keime im oralen Mikrobiom. Ein Team der Martin-Luther-Universität Halle-Wit- tenberg, des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie und der Periotrap Pharmaceuticals GmbH suchte deshalb nach einem Weg, ge- zielt parodontalpathogene Bakterien im Mund zu eliminieren. Die Wissenschaftlerinnen und Wis- senschaftler entwickelten dafür eine Testsubstanz, die ein bestimmtes En- zym in den Bakterien inhibiert, das für den Stoffwechsel eine besondere Rolle spielt – die Glutaminylzyklase. Durch die selektive Hemmung dieses Enzyms gehen die parodontalpatho- genen Keime zugrunde [Taudte et al., 2021]. In den Labortests zeigte sich, dass die neue Substanz das Wachstum der pathogenen Bakterien tatsächlich unterdrückt. Das Besondere: Die Substanz greift lediglich Mikroorganismen an, die in starker Assoziation zu Parodontal- erkrankungen stehen. Die Wissen- schaftler erklären dies dadurch, dass das Angriffsziel – die Glutaminyl- zyklase – in zwei unterschiedlichen Varianten existiert. DER ANSATZ FUNKTIONIERT GRUNDSÄTZLICH Die in dieser Studie im Fokus stehen- den Bakterien Porphyromonas gingi- valis, Tannerella forsythia und Prevo- tella intermedia besitzen eine Gluta- minylzyklase-Sequenz, die bislang nur bei Pfanzen oder Tieren beobachtet wurde [Taudte et al., 2021]. Deren Struktur unterscheidet sich signifikant von den Säugetier-Sequenzen des übrigen oralen Mikrobioms. Die For- scherinnen und Forscher vermuten, dass die Unterschiede ausreichen, die Funktionalität der menschlichen Enzyme nicht zu beeinflussen. Mit ihrer Studie liefern sie zunächst den Nachweis, dass der Ansatz grund- sätzlich funktioniert. In weiteren Stu- dien muss dieser nun verfeinert und in späteren klinischen Studien über- prüft werden. Bis aus den bisherigen Forschungsergebnissen ein marktreifes Medikament wird, könnten also noch mehrere Jahre vergehen. nl Originalpublikation: Taudte N. et al.: Mammalian-like type II glutaminyl cyclases in Porphyromonas gingivalis and other oral pathogenic bacteria as targets for treatment of periodontitis. Journal of Biological Chemistry (2021). Doi: 10.1016/j.jbc.2021.100263, https://doi.org/10.1016/j.jbc.2021. 100263 Foto: Adobe Stock_Zerbor Wenn man bei der Parodontitistherapie nur die parodontalpathogenen Keime eliminieren könnte, wäre das eine echte Innovation. ZAHNMEDIZIN | 41
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