Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 9
zm 111, Nr. 9, 1.5.2021, (772) Seit vielen Jahren setzt die Zahn- ärzteschaft alles daran, die große Volkskrankheit Parodontitis in den Griff zu bekommen. Die Prävalenz dieser gravierenden Erkrankung ist nicht nur in Deutschland sehr hoch. Hier ist nahezu jeder Zweite betroffen, oft ohne dass dies den Menschen bewusst wird. Dabei hat die Parodontitis nicht nur Auswir- kungen auf die Mundgesundheit selbst, sondern steht in kausalem Zusammenhang mit zahlreichen systemischen Erkrankungen wie Diabetes, Herzerkrankungen, Schlaganfall und Arthritis. Diese Zusammenhänge sind in der Bevöl- kerung kaum bekannt. Das Wissen um Ursachen, Entstehung, Folgen, Vorbeugemaßnahmen oder Thera- piealternativen fehlt häufig. Will man der Erkrankung zukünftig besser Herr werden, müssen dem sowohl eine patientengerechte Auf- klärung als auch eine entsprechende wirksame zahnmedizinische Ver- sorgung entgegengestellt werden, gleichzeitig müssen Gesundheits- kompetenz und Prävention deutlich gestärkt werden. Der KZBV ist es daher seit Langem ein wichtiges Anliegen, die Behand- lung von Parodontitis in der vertrags- zahnärztlichen Versorgung an den aktuellen Stand der wissenschaft- lichen Erkenntnisse anzupassen. Die heute noch gültigen Regelungen der Behandlungs-Richtlinie sind seit Jahrzehnten veraltet, die Vergütung in diesem Leistungsbereich ist nicht angemessen, eine suffiziente Therapie im Rahmen der GKV damit kaum möglich. Dies wird sich nun ändern: Zum 1. Juli 2021 wird – vorbehaltlich der Prüfung durch das Bundesminis- terium für Gesundheit – die neue PAR-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in Kraft treten. Diese Richtlinie ist ein ver- sorgungspolitischer Meilenstein auf dem Weg zu einer weiteren Verbesserung der Mundgesundheit in unserem Land, für den sich die KZBV im Verbund mit der Wissen- schaft vehement im G-BA eingesetzt hat. In den Gremien hat die KZBV ihre detaillierten Konzepte für eine zeitgemäße, systematische Parodontitistherapie umfangreich umsetzen können. Parodontitis wird ab dem 1. Juli 2021 nach Maßgabe einer umfassenden, am individuellen Bedarf ausgerichte- ten Versorgungsstrecke systematisch behandelt werden können. Grund- lage sind die aktuellen wissenschaft- lichen Erkenntnisse, abgebildet in den Leitlinien der Deutschen Gesell- schaft für Parodontologie (DG PARO) und der European Federation of Periodontology (EFP). Versicherte erhalten danach zukünftig im Zu- sammenhang mit der eigentlichen antiinfektiösen Therapie unter anderem eine patientenindividuelle Mundhygieneunterweisung. Dazu wird als eigener Therapieschritt ein parodontologisches Aufklärungs- und Therapiegespräch verankert, um das Verständnis über die Auswirkun- gen der Erkrankung zu schaffen und die Mitwirkung der Versicherten zu stärken. Die „sprechende Zahn- medizin“ findet damit erstmals Eingang in die Versorgung. Einen zentralen Stellenwert hat in der neuen Behandlungsstrecke die unter- stützende Parodontitistherapie (UPT). Versicherte können, ausgerichtet am individuellen Bedarf, künftig zwei Jahre nach Abschluss der aktiven Behandlungsphase eine strukturierte Nachsorge in Anspruch nehmen, um den Behandlungserfolg nachhaltig zu sichern. Die Frequenz der UPT wird bedarfsgerecht ans individuelle Patientenrisiko angepasst. Damit wird eine entscheidende Lücke in der bisherigen parodontologischen Versorgung in Deutschland geschlossen. Mit dieser Richtlinie wird die Zahn- ärzteschaft ihrem Anspruch und Auftrag gerecht, daran mitzuwirken, dass allen gesetzlich Kranken- versicherten eine Versorgung nach dem aktuellen Stand der Zahnmedi- zin als Kassenleistung zur Verfügung gestellt wird. Aktuell stehen wir im Bewertungs- ausschuss vor der anspruchsvollen Aufgabe, die betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Leis- tungserbringung in der vertragszahn- ärztlichen Versorgung zu schaffen. Denn eine zeitgemäße Parodontitis- therapie auf der Basis der jetzt ver- abschiedeten Richtlinie kann nur dann erfolgreich in der Versorgung umgesetzt werden, wenn die Leistun- gen angemessen honoriert werden. Wie in der Vergangenheit werden wir auch in diesen Verhandlungen professionell aufgestellt sein. Ich bin sicher, dass unsere Mühen am Ende von Erfolg gekrönt sein werden. Für den 30. April ist die Sitzung des zuständigen Bewertungsausschusses vorgesehen. Danach wissen wir mehr. Dr. Wolfgang Eßer Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung Foto: axentis.de Die neue PAR-Richtlinie – ein großer Schritt für die zahnärztliche Versorgung 06 | LEITARTIKEL
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