Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 9

zm 111, Nr. 9, 1.5.2021, (831) Karlsruhe teil und kandidiert sogar für das Direktmandat im Wahlkreis Düsseldorf-Nord. Die Grünen geben ihm für eine erneute Kandidatur bei der Bundestagswahl 1983 aber keinen vorderen Listenplatz und Beuys zieht sich aus der Partei zurück. DIE ZÄHNE IM STRÖMENDEN KREISLAUFPRINZIP In seiner Kunst beschäftigt sich Beuys auch intensiv mit dem Schädel unter verschiedenen Blickwinkeln. „Zähne, besonders Molaren, sowie Geweih und Hörner als organoid ausdifferen- zierte Bildungen von Hartsubstanzen des Viszerokraniums brachte er sehr bildhaft unmittelbar mit dem strö- menden Kreislaufprinzip in Verbin- dung“ [Zum „Urschlitten“ von Joseph Beuys, H. Schulz, in: Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Bd. 3, 1999]. Während der Aktion „Hauptstrom FLUXUS“ 1967 in Darmstadt hinter- lässt Beuys seine Gebissabdrücke im Werkmaterial. Die „Mundplastik“ ist auf dem Foto oben mit einem „Fett- gerät“ zu sehen. Beide Objekte be- finden sich heute im Hessischen Landesmuseum Darmstadt. DENKMAL: SCHWEINEMOLAR IN PLASTILIN 1958 entsteht die kleine Plastik „Denkmal“. Sie zeigt einen Schweine- zahn, einen Molaren, der in einem rot-braunen Plastilinklumpen steckt. Das Kunstwerk gehört zur Sammlung Museum Schloss Moyland. Die Zeichnungen „Die Zähne“ von 1961 zählen ebenfalls zum Werk- bestand in Schloss Moyland. Mit diesem Doppelblatt Bleistift auf bräunlichem, leicht quergestreiftem Seidenpapier greift Beuys das Sujet des „Urschlitten“ auf. Die beiden Blätter sind auf chamoisfarbenem Papier übereinander geklebt. Wir se- hen den Unterkiefer eines Menschen auf einer Kufenkonstruktion. „Die Basis des Corpus mandibulare wird gedanklich zur Gleitfläche, zu Schlittenkufen, verwandelt“ [Schulz]. „Gleitinstrumente wie Schlitten oder Schuhe verweisen als Metaphern für Bewegung auf eine begriffliche und erkenntnisbezogene Ebene. Die Bewegung wird als eine Qualität an sich betrachtet, als eine Form der Veränderung, wobei räumliche Orts- wechsel auch die geistige Landschaft des Menschen berühren können“ [S. Fabio, Joyce und Beuys, Ein inter- medialer Dialog, 1997, zitiert in: Schulz]. Beuys transformiert schon in seinen frühen Zeichnungen Schädel und Unterkiefer zum Schlitten. Mit dem Schädel-Urschlittenthema verweist Beuys „auf transitorische Bewußtseinsschichten zwischen Tod und Leben“ [Schulz]. Mitte Januar 1986 erhält Beuys für sein Werk den Wilhelm-Lehmbruck- Preis der Stadt Duisburg. Nur wenige Tage später stirbt er am 23. Januar an den Folgen einer seltenen Lungen- erkrankung. Seine Asche wurde im darauffolgenden April in der Nordsee verstreut. \ DIE SCHAMANEN BEI BEUYS Mit der Ausstellung zum 100. Geburtstag gehen die Kuratoren der Bedeutung des Schamanismus in der Kunst von Joseph Beuys nach. Im Text wurde bereits auf Beuys‘ imaginäre Rettung durch Tataren auf der Krim 1944 hingewiesen. Tataren auf der Krim waren und sind Muslime. Sie mit Schamanismus in Verbindung zu bringen, ist ein Konstrukt von Beuys, was aber den Stellenwert für sein Schaffen nicht mindert. „Beuys themati- sierte in frühen Werken immer wieder Schamanen und die Kontexte, in denen diese agieren. Die Figur des Schamanen verkörperte für Beuys grundlegende Manifestationen spiritueller Zusam- menhänge. Er betrachtete dessen Handlungen als therapeutisches Wirken für die Gemeinschaft, verbunden mit einer Mittlerfunktion zwischen Natur und Kosmos, zwischen Materiellem und Spirituellem. Zudem nahm Beuys, etwa in Aktionen, die Rolle des Schamanen an oder bediente sich schamanischer Praktiken. Er belebte auf viel- fältige Weise die Figur des Schamanen für sich und richtete seinen Blick dabei auf den für ihn so wichtigen eurasischen Raum“ [Information zur Ausstellung, Museum Schloss Moyland]. Die Ausstellung will dem Besucher die schamanischen Lebenswelten näherbringen, auf die sich Beuys in seiner Kunst bezieht. Deutlich wird, welche Rele- vanz der Schamanismus auch für zeitgenössische Künstler hat. Die Ausstellung in Schloss Moyland in Bedburg- Hau läuft vom 2. Mai bis zum 29. August 2021. Block Beuys Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Foto: Wolfgang Fuhrmannek, VG Bild-Kunst, Bonn, 2021 Joseph Beuys, Mundplastik, aus: „Hauptstrom“, 1967, und Fettgerät, aus: „Hauptstrom“, 1967

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