Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm 111, Nr. 10, 16.5.2021, (886) MANAGEMENT AUSGEDEHNTER ZYSTISCHER LÄSIONEN DES KIEFERS Das geht auch ambulant Norbert Neckel, Benedicta Beck-Broichsitter, Max Heiland, Paula Korn Durch die COVID-19-Pandemie sind die Krankenhauskapazitäten für die Behandlung anderer Krankheitsbilder auf dringliche Indikationen reduziert worden. In dieser Situation gewinnen ambulante Therapiealternativen an Bedeutung. Diese können sich – wie im Fall der teilweise etwas stiefmütterlich behandelten Zystostomie – für gewisse Indikationen sogar als überlegen erweisen. Für zahnärztliche Überweiser kann dabei von besonderem Interesse sein, dass niedergelassene chirurgische Kolleginnen und Kollegen zunehmend die Versorgung von Krankheitsbildern übernehmen können, die früher routinemäßig in die Klinik überwiesen wurden. D ie Zystostomie ist eine bewährte Methode zur Therapie von zys- tischen Läsionen des Kiefers. Sie setzt zwar eine hohe Compliance bei den Patienten voraus, bietet aber im Vergleich zur Zystektomie Vorteile wie die zeitnahe diagnostische Siche- rung des Befunds, die Vermeidung stationärer Aufenthalte und nicht zuletzt die Minimierung operativer Risiken. Im Gegensatz zur Zystosto- mie birgt nämlich die primäre Resek- tion ausgedehnter Zysten das nicht unerhebliche Risiko der Schädigung umgebender anatomischer Struktu- ren: Zu jenen zählen Nervläsionen, Frakturen, Blutungen, Zahn(wurzel) schädigungen oder auch ein erhöhtes Rezidivrisiko durch Residuen bei zu- nehmender Größe und Komplexität des zu exstirpierenden Zystenbalgs [Wakolbinger und Beck-Mannagetta, 2016]. So kann es sinnvoll sein, große Zys- ten nicht in einem einzigen primären Ansatz zu behandeln: Die Zystos- tomie erfordert zwar einerseits in der Regel mindestens einen zweiten chirurgischen Eingriff sowie eine konsequente, vor allem teilweise lang andauernde ambulante Führung der Patienten, bietet jedoch anderer- seits die Möglichkeit einer raschen Diagnosesicherung unter Minimie- rung der operativen Risiken unter Vermeidung unnötig langer Warte- zeiten auf stationäre oder anästhesio- logische Kapazitäten [Bassetti et al., 2019]. Sollten diese auf Grundlage der gewonnenen Histologie jedoch dringlich in Anspruch genommen werden müssen, so kann nun eine faktenbasierte Terminierung und Pla- nung erfolgen. Des Weiteren kann in den meisten Fällen auf aufwendige und bei infizierten Befunden auch wenig prognostizierbare augmentative Verfahren verzichtet werden (siehe die drei Patientenfälle). Das Verfahren wurde bereits im Jahr 1892 von Carl Partsch beschrieben (Partsch I) und hat trotz moderner radiologischer und instrumenteller Möglichkeiten nicht im Geringsten an Aktualität verloren [Partsch, 1892]. Eine Weiterentwicklung dieser Methodik wurde von Neuschmidt als Drainierungsmethode beschrieben, die im Gegensatz zur Marsupialisa- tion bei Partsch I durch Einlage eines Gummiröhrchens einer kleineren permanenten Öffnung des Zysten- lumens bedarf [Neuschmidt, 1942]. Im Laufe der Zeit wurden verschie- denste Varianten dieser Techniken publiziert, die in letzter Konsequenz Foto: Franz Hafner Abb. 1: Exemplarische Darstellung einer Röhrchen-Drainage zur Behandlung einer Keratozyste DR. MED. DENT. NORBERT NECKEL Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichts- chirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow Klinikum Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin Foto: Franz Hafner 16 | ZAHNMEDIZIN

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