Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10
zm 111, Nr. 10, 16.5.2021, (898) WIE GEHT ES ZAHNÄRZTINNEN UND ZAHNÄRZTEN IN DER PANDEMIE? „Corona macht was mit Zahnärzten“ Stress, Angst, Dauerbelastung – die Pandemie hinterlässt ihre Spuren. Die Zahnärztin Dr. Bettina Kanzlivius ist zahnmedizinische Leiterin der Berliner Patientenberatungsstelle „Seele und Zähne“. Dort stehen zwar vor allem die Belange der Patienten im Fokus. Doch sie hat festgestellt: Corona belastet auch die Zahnärztinnen und Zahnärzte. Frau Dr. Kanzlivius, was beobachten Sie aktuell bei Ihren Kolleginnen und Kollegen? Dr. Bettina Kanzlivius: Aktuell be- obachten wir eine große Erschöpfung unter den Kolleginnen und Kollegen. Im vergangenen Frühjahr zu Beginn der Pandemie gab es viele Ängste: wirtschaftliche Unsicherheiten, die Fragen, wie es weitergeht, darf man arbeiten, was darf man überhaupt? Und natürlich gab es die Angst, sich zu infizieren. Was wird dann aus meiner Praxis, überstehe ich das wirtschaftlich? Was habe ich im Krankheitsfall für einen Verlauf, werde ich es gut überstehen? Damals hat man noch gedacht, es wird staatliche Hilfen auch für Zahn- arztpraxen geben. Diese Unsicherhei- ten wichen dann einer Frustration wegen mangelnder Unterstützung. Letztlich sind alle diese Fragen nach über einem Jahr immer noch aktuell, und diese Dauerbelastung macht auch den Zahnärztinnen und Zahn- ärzten sehr zu schaffen. Wo ist das Stresslevel derzeit am höchsten? Ich denke, das Stresslevel ist derzeit bei den Selbstständigen am höchsten. Die hohe Verantwortung für die eigene Existenz, für die Familie und für die Angestellten stellt eine sehr hohe Belastung dar. Die Hoffnung auf ein baldiges Ende ist zerschlagen – man weiß nicht, was noch kommt. Wir hören, dass die staatliche Unter- stützung weitgehend zurückgezahlt werden musste und Quarantäne- Entschädigungen auch nach Mona- ten noch nicht eingegangen sind. Derweil muss man sich mit anderen Fragen beschäftigen, zum Beispiel der Umsetzung der Medizinprodukte- Verordnung. Wie sieht es denn mit den Patientenströmen in den Praxen aus? Die Patientenströme sind leider nicht gleichmäßig, auch das ist ein großes Problem. Teilweise bleiben die Pa- tienten aus, man macht sich Sorgen, denn die Fixkosten laufen ja weiter. Dann gibt es wieder Phasen, in denen die Patienten kommen und kaum unterzubringen sind. Wir beobachten infolge der verringerten Zahnarzt- besuche und Prophylaxemaßnahmen auch vermehrt Probleme mit der Zahngesundheit. Das sind dann häu- fig Patienten, die akut in die Schmerz- sprechstunde kommen und den Pra- xisablauf durcheinanderbringen. Na- türlich sind alle für ihre Patienten da. DR. BETTINA KANZLIVIUS Dr. Bettina Kanzlivius ist zahnmedizinische Leiterin der Patientenberatungsstelle „Seele und Zähne“. Foto: privat PATIENTENBERATUNG SEELE UND ZÄHNE „Seele und Zähne“ ist ein fachübergreifendes Projekt der Psychotherapeutenkammer und der Zahnärztekammer Berlin. Wenn Zahnärzte oder Psychotherapeuten vermuten, dass hinter zahnmedizinischen Belastungen eines Patienten seelische Konflikte stehen und umgekehrt, steht ihnen zur Klärung die bundesweit erste und kostenlose Patientenberatungsstelle „Seele und Zähne“ offen. Gemeinsam geben dort eine Psychologische Psychotherapeutin und eine Zahnärztin Empfehlungen für die weitere Behandlung. Die Beratung erfolgt nur nach Vermittlung durch behandelnde Ärzte oder Psychotherapeuten, die in die Vor- und Nachbereitung der Beratung einbezogen werden. Mehr unter: https://www.psychotherapeutenkammer-berlin.de/patientenberatung-seele-und-zaehne oder unter https://www.zaek-berlin.de/patienten/patientenberatung.html 28 | GESELLSCHAFT
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