Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm 111, Nr. 10, 16.5.2021, (900) Unvorhergesehene Termine bedeuten aber einen zusätzlichen Stressfaktor. Wie wirkt sich die mangelnde staatliche Unterstützung auf die mentale Situation der Kollegen aus? Die mangelnde Unterstützung vom Staat war im vergangenen Jahr ein großes Thema und hat viele von uns enttäuscht. Allerdings habe ich festgestellt, dass die Kolleginnen und Kollegen die Zähne zusammen- gebissen und weitergemacht haben. Vielen war doch sehr schnell klar, dass gerade für Zahnärzte keine Hilfe kommen wird. Hier wird offenbar er- wartet, dass selbstständige Zahnärzte in einer so guten wirtschaftlichen Lage sind, dass sie allein durch die Krise kommen. Das gilt leider nicht für alle Praxen. Was belastet die Zahnärzte psychisch – und auch körperlich gesehen? Eine Belastung stellt das lange Tragen von Masken im Berufsalltag da. Wir tragen die Maske nicht nur kurz zum Einkaufen, sondern teilweise acht bis zehn Stunden am Tag. Eine Pause alle 75 Minuten ist für viele nur ein Traum. Wirtschaftliche Aspekte spielen natürlich auch eine Rolle. Den stark gestiegenen Kosten zum Beispiel für Schutzausrüstung und andere Materialien stehen unregel- mäßige und verringerte Patienten- besuche gegenüber. Dazu kommt, dass sich in vielen Praxen Personal infiziert hat und längere Zeit ausfällt. Die Lohnfort- zahlung hat trotzdem der Arbeit- geber zu leisten und die Mehrarbeit abzufangen. Belastend ist auch die mangelnde Erholungsphase. Ein kurzes Wochen- ende der Entspannung, ein längerer Urlaub, um mal wirklich abzuschal- ten, das alles ist schon seit längerer Zeit nicht mehr möglich. Und gerade in diesen schweren Zeiten wäre es für viele dringend nötig. Sind Kinder im Haus, müssen die Zahnärztinnen und Zahnärzte hier ein hohes Maß an Unterstützung bieten. Die lange Zeit des Home- schoolings erfordert viel zusätzliche Elternarbeit. Und auch die Kinder leiden unter den Einschränkungen und der Isolation und benötigen ver- stärkte Aufmerksamkeit. Die Kolleginnen und Kollegen be- lastet auch die Präsenzpflicht. Wir müssen immer parat stehen. Selbst unsere Angestellten können sich krankmelden, wenn es ihnen nicht gut geht. Uns sitzt auch diese Angst im Nacken, denn dann steht der ge- samte Praxisbetrieb still. Man kann sich nicht einfach mal einen Nach- mittag frei nehmen, die Patienten erwarten, dass man für sie da ist. Wie angespannt ist die Personalsituation? Die Personalsituation ist genauso schwierig wie zuvor. Der Arbeits- markt hat sich nicht deutlich ver- ändert. Es gibt immer wieder Phasen, in denen gewechselt wird, aber wir beobachten keine verstärkte Kündi- gungswelle aufgrund von Corona. Nur stehen aktuell noch mehr Ängste im Vordergrund, wie der eigene Aus- fall in der Praxis, aber auch drohende Quarantänemaßnahmen oder die Er- krankung des Personals an Corona. Wie gehen die Zahnärzte damit um, dass Auszeiten und persönliche Inseln in einem dicht getakteten Arbeitsalltag nur begrenzt möglich sind? Genau das fällt allen schwer. In- zwischen höre ich, dass – im Rahmen der Möglichkeiten – wieder Kontakt zu anderen Menschen gesucht wird. So wie die Kinder die Zeit allein nicht mehr verkraften, so geht es auch den Erwachsenen. Wer kann, schafft sich kleine Inseln, übt wieder seinen Sport aus oder sucht sich einen anderen Ausgleich im sportlichen oder gestal- terischen Bereich. Was wünschen sich die Zahnärzte selbst, um für den Praxisalltag wieder aufzutanken? Der größte Wunsch wäre für viele ge- wesen, über Ostern im eigenen Land in Urlaub zu fahren. Einfach mal raus aus dem Alltag, abschalten, das war für viele die rettende Insel. Völlig unverständlich, warum man nicht im eigenen Auto in eine einzelne Ferien- wohnung in Deutschland fahren durfte, aber eng im Flieger sitzend in „WIR WÜNSCHEN UNS GLEICHBEHANDLUNG!“ „Die Herausforderungen für Zahnärztinnen und Zahnärzte in der Pandemie sind immens und multikausal. Angefangen von einem erhöhten Arbeitsdruck, immer für die Patienten da zu sein, bis hin zu wirtschaftlichen Problemen durch zum Beispiel aus Verunsicherung ausbleibende Patienten. Als Arbeitgeber ist man zudem gefordert, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den durch die schwierige Gesamtsituation verursachten zusätzlichen Stress und die dadurch zum Teil gereizte Stimmung auszugleichen. Hinzu kommen die privaten Belastungen etwa durch betreuungspflichtige Kinder und Home- schooling. Trotz unseres Engagements und wieder- holter Forderungen an die Politik wurden die Zahnärzte im Gegensatz zu den Ärzten leider nicht beim wirtschaftlichen Schutzschirm 2020 berücksichtigt. Wir als Zahnmediziner wünschen uns und arbeiten weiter daran, dass Ärzte und Zahnärzte endlich gleich behandelt werden. Wichtige Kapazitäten gerade zur Eindämmung der Pandemie bleiben so leider ungenutzt, könnten Zahnärzte doch beim Durchimpfen der Bevölkerung helfen und so für alle – Patienten und Zahnärzte – ein schnelleres Fortkommen auf dem Weg aus der für alle belastenden Situation ermöglichen.“ Dr. Karsten Heegewaldt und Zahnärztin Barbara Plaster, Präsident und Vizepräsidentin der Zahnärztekammer Berlin Fotos: ZÄK Berlin/ Jens Jeske 30 | GESELLSCHAFT

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=