Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm 111, Nr. 10, 16.5.2021, (906) rhagische oder zystische Anteile hin- deuten [Jiang et al., 2019]. In der Schichtbildgebung zeigt sich der SFT sowohl in der Computer- als auch in der Magnetresonanztomografie iso- dens/idointens zur Muskulatur und mit einem heterogenen Kontrast- mittelverhalten [Satomi et al., 2014; Kalla, 2018]. Mikroskopisch besteht der SFT aus spindelförmigen bis ovoiden Zellen, die in ungeordneten Mustern hypo- und hyperzelluläre Areale bilden und von kleinen kapillarähnlichen Gefä- ßen oder „hirschgeweihartig“ ange- ordneten Gefäßen durchzogen sind. Da es zahlreiche histomorphologische Differenzialdiagnosen gibt, kommt der Immunhistochemie eine zentrale Bedeutung zu. Entgegen der ursprüng- lichen Annahme, dass es sich beim SFT um eine aus Mesothelgewebe entstandene Neoplasie handelt, zeigt sich diese Tumorentität negativ auf eine Färbung mit Keratin-Antikörpern. In 90 bis 100 Prozent der Fälle ist der SFT positiv für CD34 – ein durch hämatopoetische Stammzellen und vaskuläre Strukturen exprimiertes Transmembranprotein. Da es durch die NAB2/STAT6-Genfusion innerhalb der Tumorzellen zu einer erhöhten Konzentration an STAT6 im Zellkern kommt, reagiert dieser außerdem stark positiv auf entsprechende Antikörper. Das Ansprechen auf Vimentin-Anti- körper spricht außerdem für den me- senchymalen Ursprung des Tumors. Rein histologisch kommen verschie- dene Differenzialdiagnosen wie das Spindelzellmelanom, ein Schwannom oder das fibröse Histiozytom in Betracht. Des Weiteren exprimieren auch andere Tumore wie das Kaposi- Sarkom, das Dermatofibrosarkom und primäre mesenchymale Spindelzell- tumore, aber auch die akute Leukä- mie, das Transmembranprotein CD34 und erschweren so die Differenzial- diagnostik. Die Kombination aus CD34 und STAT6 stellt jedoch das histologische Hauptdiagnosekriterium für den SFT dar [Kalla, 2018]. Maligne SFTs werden anhand ver- schiedener histologischer Kriterien definiert. Dazu zählen zelluläre und nukleäre Polymorphismen, infiltrative Ränder, Hyperzellularität, der Mito- tische Index und Nekrosen. Ab dem Vorliegen von drei der fünf Kriterien gilt der SFT als maligne [de Morais et al., 2020]. Malignes Verhalten wird mit einer Häufigkeit von 10 bis 37 Prozent angegeben, wobei eine deut- liche Divergenz zwischen histologi- schen Malignitätskriterien und dem klinisch malignen Verhalten besteht [Kalla, 2018]. Die mediane Überlebenszeit von Patienten mit einem SFT ist stark abhängig von der Malignität des Be- funds, liegt jedoch bei durchschnitt- lich 13 bis 15 Jahren; die Fünfjahres- überlebensrate beträgt bei benignen Befunden über 80 Prozent, während sie bei Vorliegen eines malignen SFT auf 50 bis 60 Prozent absinkt [Schütte et al., 2019]. Die Rezidivhäufigkeit wird mit 4,3 bis 6,7 Prozent ange- geben, wobei diese meist innerhalb der ersten zwei Jahre auftreten; die Metastasierungshäufigkeit liegt bei etwa 5,4 Prozent. Aufgrund der Seltenheit des Tumors besteht keine starke Evidenz bestimm- ter Therapieschemata, wobei sich wegen der klaren Begrenzung des Tumors die chirurgische Resektion als Therapie der Wahl durchgesetzt hat. Grundsätzlich gelten SFTs als Chemo- therapie-insensitiv und sprechen ins- besondere auf lokale Therapiemaß- nahmen – auch auf die Strahlen- therapie – an [Schütte et al., 2019]. Bei fortgeschrittenen Tumorstadien wird die Therapie mit Doxorubicin oder als Zweitlinientherapie Dacar- bazin empfohlen. Vielversprechend sind – aufgrund der häufig guten Vaskularisation der Tumore – auch neuere Therapieschemata mit Angio- genesehemmern [Casali et al., 2018]. Da das langfristige Verhalten des SFT noch weitgehend unbekannt ist, wird ein Follow-up von drei bis fünf Jahren mit regelmäßigen klinischen und bildgebenden Kontrollen (Sono- grafie, Computertomografie, Mag- netresonanztomografie) empfohlen [Satomi et al., 2014]. \ FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Weichgewebssarkome machen etwa ein Prozent der Mundhöhlen- tumore aus. \ Sie entstehen aus Bindegewebe, Muskulatur, Knorpel, Fett, Blut und Lymphgefäßen. \ Bei unklarer Dignität einer enoralen Raumforderung sollte nach inkon- klusiver Bildgebung eine Biopsie des Befunds zur Diagnosesicherung erfolgen. \ Der solitär fibröse Tumor gehört zur Gruppe der Sarkome und stellt eine seltene Differenzialdiagnose der enoralen Raumforderung dar; er kann erst durch die immunhisto- chemische Untersuchung sicher diagnostiziert werden. \ Bei Diagnose eines Tumors mit un- sicherem oder potenziell malignem Potenzial bietet sich die Besprechung des Falls in einer Expertenrunde an, beispielsweise einem inter- disziplinären Tumorboard, um die weitere Therapie abzustimmen. PROF. DR. DR. PEER W. KÄMMERER, MA, FEBOMFS Leitender Oberarzt und stellvertretender Klinikdirektor Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen, Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz peer.kaemmerer@unimedizin-mainz.de Foto: privat ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion ange- fordert werden. 36 | ZAHNMEDIZIN

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