Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm 111, Nr. 10, 16.5.2021, (912) KINDESWOHLGEFÄHRDUNG Die Fachexpertise liegt bei den Zahnärzten Reinhard Schilke Künftig dürfen nach dem neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz auch Zahnärzte das Jugendamt einschalten, wenn ihnen Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen vorliegen. In welchen Fällen ist das möglich? Und was müssen Zahnärzte beachten? Wichtig zu wissen: Der gesetzliche Auftrag zur Einschätzung einer Kindes- wohlgefährdung liegt beim Jugendamt. D as Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungs- gesetz – KJSG) durchläuft momentan das Gesetzgebungsverfahren und steht kurz vor der Verkündung und dem Inkrafttreten. Es soll das Kindes- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) reformieren. In einigen Punkten stellt es eine Erweiterung des Bundes- kinderschutzgesetzes (BKiSchG) dar, das bereits seit Anfang 2012 in Kraft ist. Ein zentraler Teil des BKiSchG ist das Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG). Mit Artikel 2 des neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz sollen künftig im KKG bei der Auflistung der Berufs- geheimnisträger explizit auch Zahn- ärztinnen und Zahnärzte aufgeführt werden. Es ist gut, dass Zahnmediziner an dieser Stelle genannt werden, da sie eine wichtige Aufgabe haben, wenn es darum geht, Anhaltspunkte für Kindeswohlgefährdung zu erkennen, insbesondere bei der besonders häufi- gen Vernachlässigung, aber auch bei körperlicher Misshandlung. Für den oralen und perioralen Bereich liegt die Fachexpertise ohne Zweifel bei unserer Berufsgruppe. Allerdings stellt die Ergänzung im KKG nicht wirklich eine Neuerung beim empfohlenen Vorgehen bei Ver- dacht auf Kindeswohlgefährdung dar. Bereits 2019 wurden in der S3+ Kin- derschutz-Leitlinie (AWMF Register- nummer 027–069) mehrere Hand- lungsempfehlungen zum Vorgehen bei Verdacht auf Kindeswohlgefähr- dung formuliert. Schon hier wurden Zahnärztinnen und Zahnärzte bei den Berufsgeheimnisträgern inkludiert. In diesen Handlungsempfehlungen wurde das mehrstufige Vorgehen nach § 4 KKG zugrunde gelegt: \ Stufe 1: Erörterung des Befunds mit dem Kind oder Jugendlichen und den Erziehungsberechtigten und, soweit erforderlich, Hin- wirken auf die Inanspruchnahme von öffentlichen Hilfen \ Stufe 2: Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Beratung des Berufsgeheimnisträgers durch eine insoweit erfahrene Fachkraft unter Weitergabe von pseudo- nymisierten Personendaten \ Stufe 3: Ist ein Vorgehen nach Stufe 1 erfolglos, um die Kindes- wohlgefährdung abzuwenden, ist der Berufsgeheimnisträger befugt, das Jugendamt zu informieren. Doch schon vor dem Inkrafttreten des BKiSchG hatten Zahnärztinnen und Zahnärzte unter Berufung auf das Vorliegen eines rechtfertigen Not- stands (§ 34 StGB) die Möglichkeit, sich bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine schwerwiegende Kindeswohl- gefährdung an staatliche Stellen zu wenden und dadurch die Schweige- pflicht zu brechen. NEU IST: DAS JUGENDAMT MUSS RÜCKMELDEN Als wichtige Neuerung durch das Kin- der- und Jugendschutzgesetz soll in § 4 KKG nun eine Rückmeldung durch das Jugendamt an die Berufs- geheimnisträger eingeführt werden. Dabei soll das Jugendamt mitteilen, ob es die gewichtigen Anhaltspunkte 42 | POLITIK

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=