Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10
zm 111, Nr. 10, 16.5.2021, (934) ZUR ROLLE DER ZAHNÄRZTLICHEN GUTACHTER Ein wichtiger Gehilfe des Gerichts Was macht eigentlich ein Gutachter? Wie sieht sein Auftrag aus und was erwartet das Gericht? Wolfgang Frahm ist Richter am Oberlandesgericht (OLG) Schleswig und Fachmann für Arzt- haftungsrecht. Auf dem Zahnärztetag Westfalen-Lippe Mitte März schilderte er online rund 120 interessierten Zahnärztinnen und Zahnärzten, worauf es in dem Job ankommt. O hne Sachverständige könnten die Gerichte ihre Verfahren nicht betreiben und würden nicht zu gerechten Entscheidungen finden können“, beschreibt Frahm die Rolle des zahnärztlichen Gutachters. Der Sachverständige ist damit ein wichtiger „Gehilfe des Gerichts“. Vor allem wenn es um konkrete Fra- gen zur Behandlung geht, seien die Richter auf die Expertise angewiesen. „Die Aufgabe des Sachverständigen ist es, zu beurteilen, ob die vorgenom- mene Behandlung dem entspricht, was von einem gewissenhaft arbei- tenden und aufmerksamen Zahnarzt in dieser Situation hätte erwartet werden können“, erklärt Frahm. Er empfiehlt, zur Beurteilung Leitlinien- und Standardwerke heranzuziehen, eine Literaturliste sei im schriftlichen Gutachten ebenfalls gern gesehen. So werde dem Gericht signalisiert, dass sich der Gutachter mit dem Fall auch wissenschaftlich auseinandergesetzt hat. ABWEICHEN IST NOCH KEIN FEHLER Doch auch wenn der Zahnarzt bei der Behandlung von den vorgegebenen Leitlinien abgewichen ist, bedeute das nicht automatisch, dass ein Be- handlungsfehler vorliegt. In diesem Fall sollte der Zahnarzt begründen, warum er anders agiert habe, rät er. Die Aufgabe des Gutachters bestehe dann darin, zu sagen, ob dieses Vor- gehen in Ordnung war. „Ein grober Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Zahnarzt eindeutig ge- gen bewährte ärztliche Behandlungs- regeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objek- tiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Zahnarzt schlechterdings nicht unterlaufen darf“, verdeutlicht Frahm. Im Prozess gehe der Gutachter diese Definition Schritt für Schritt durch. „Die Heraus- forderung besteht darin, dem eigenen Berufskollegen, zu sagen, dass es un- verständlich war, was hier passiert ist.“ Ein Gutachter könne auch dazu be- auftragt werden, die Risikoaufklärung zu beurteilen. „Immer wenn es eine Behandlungsalternative gibt, muss der Patient unter bestimmten Voraus- setzungen darüber aufgeklärt wer- den“, stellt er klar. Und dann werde eben auch der Sachverständige ge- fragt, ob es eine echte Behandlungs- alternative gab. Sachverständige sollten objektiv, neu- tral, unbefangen, verantwortungs- bewusst und sachkundig sein – und nicht aus der Umgebung des Be- klagten kommen. „Wenn der Sach- verständige beispielsweise aus dem 25 Kilometer entfernten Nachbarort kommt, wäre es möglich, dass er den zu beurteilenden Zahnarzt kennt und der klagende Patient das Gefühl ha- ben kann, er sei ihm wohlgesonnen“, bekräftigt Frahm. In dieser Konstel- lation könne die örtliche Nähe nach- teilig für den Patienten sein. Der Sachverständige sollte indes aus einer ähnlichen Versorgungsstufe stammen wie der zu beurteilende Zahnarzt, stellt Frahm fest: „Ein niedergelassener Zahnarzt schätzt eine Situation an- ders ein als ein Chefarzt.“ Zu den Pflichten eines Gutachters ge- hört in erster Linie – selbstredend – Foto: Adobe Stock_Thitiphat 64 | GESELLSCHAFT
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