Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11

zm 111, Nr. 11, 1.6.2021, (1003) fehlen aber noch wissenschaftliche Nachweise. Wie hängt die Parodontitis mit anderen Atemwegserkrankungen zusammen und wie wirkt sie sich auf SARS-CoV-2 aus? Es ist erwiesen, dass respiratorische Erreger in der Plaque leben und bei beatmeten Patienten durch Ein- atmen oder Aspiration in die Lunge gelangen. Dies verursacht eine Aspi- rationspneumonie, die auch eine Komplikation bei beatmeten COVID- 19-Patienten darstellen kann. Welchen präventiven Effekt könnten Parodontalbehandlungen in Bezug auf das Eindringen von SARS-CoV-2 ins Gefäßsystem haben? Parodontale Behandlungen könnten zu einer Plaque-/Biofilmreduzierung führen und damit das Überleben des Virus erschweren. Zudem könnte eine Reduktion der parodontalen Entzün- dung zu einem Abheilen der ulzerier- ten Epitheloberfläche führen, wodurch die Eintrittspforte für das Eindringen des Virus in den Blutkreislauf teil- weise geschlossen werden würde. Wie könnten diese Erkenntnisse bei der Behandlung von COVID-19 helfen und wie könnten Zahnärzte mitwirken, wenn sich ihr Modell wissenschaftlich bestätigt? Die Anleitung der Patienten zu einer sorgfältigen Mundhygiene und die Unterstützung durch regelmäßige professionelle Reinigungen und die Überwachung der parodontalen Ge- sundheit wären wichtige Aufgaben, um den Eintritt des Virus über das Zahnfleisch zu reduzieren oder gänz- lich zu unterbinden. Dadurch würde – gemäß der von uns aufgestellten Hypothese – der Übertragungsweg in die Lunge über die Lungenarterien reduziert oder sogar unterbunden. Welche Rolle spielen Mundspülun- gen? Welche Lösungen würden Sie empfehlen, um die Virusmenge im Speichel zu reduzieren? Die Verwendung bestimmter Mund- spülungen kann dazu führen, das Virus abzutöten und somit vorrüber- gehend die Viruslast im Speichel, der als Reservoir für SARS-CoV-2 dient, zu reduzieren. Es liegen vielversprechende In-vitro-Ergebnisse vor, die zeigen, dass das Virus durch die Verwendung von Spüllösungen effektiv inaktiviert werden kann, zum Beispiel mit Cetyl- pyridinium Chloride. Diese Effekte können gemäß der in vitro gewonne- nen Ergebnisse bis zu sechs Stunden anhalten. Bislang ist viel von In-vitro-Daten die Rede. Gibt es noch keine In-vivo-Studien dazu? Richtig, es fehlen bislang Ergebnisse von klinischen Studien, um die in vitro ermittelten Effekte auch in vivo zu bestätigen. In Großbritannien haben wir zwei In-vivo-Studien in der Pipeline – eine in Cardiff und eine weitere in London, die in Kürze beginnt. Regierungsbeamte in einigen Ländern haben vorgeschlagen, Gurgellösungen zu verwenden. Gibt es solche Vorschläge auch in Großbritannien? Nein, dazu gibt es in Großbritannien bislang keine offizielle Empfehlung. Japans Regierung hat allerdings eine solche Empfehlung ausgesprochen und die Todesraten durch COVID-19 sind dort bemerkenswert niedrig. Das könnte aber auch viele andere Gründe haben. Welche weiteren Forschungsschritte würden Sie empfehlen? Ich würde Studien empfehlen, die wis- senschaftliche Nachweise von SARS- CoV-2 in der subgingivalen Plaque und in den abführenden Blutgefäßen erbringen könnten. Zudem würde ich die Erforschung des Einsatzes von Mundspülungen bei an COVID-19 erkrankten Patienten unterstützen. Ich halte diesen Ansatz für viel- versprechend und würde erwarten, dass die Krankheitsverläufe deutlich weniger schwerwiegend ausfallen. Das Gespräch führte Dr. Nikola Lippe. Das hypothetische Modell des Eintrittsweges des Virus über die Mundhöhle in den Blutkreislauf in Richtung Lungengewebe [Lloyd-Jones et al., 2021] ZAHNMEDIZIN | 21

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