Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11

zm 111, Nr. 11, 1.6.2021, (1012) dibularis sind eine extrem seltene Entität [Agarwal et al., 2017]. Zu deren Risikofaktoren zählen Be- strahlungen oder eine röntgenologi- sche Diagnostik im Kopf-Hals-Bereich, eine Infektion mit dem Epstein-Barr- Virus, eine Immunsuppression und bestimmte berufliche Tätigkeiten mit entsprechender Schadstoffexposition, beispielsweise in der Nickel-Industrie [Horn-Ross et al., 1997; Coleman et al., 1999; Guzzo et al., 2010]. Zu Beginn der Diagnostik stehen die Anamnese und die klinische Unter- suchung im Vordergrund. Eine Sia- lolithiasis ist im Gegensatz zum Speicheldrüsentumor eher durch nahrungsabhängige Schmerzen oder Schwellungen gekennzeichnet. Das Fehlen eines dentalen Fokus oder einer intraoralen Schleimhautverän- derung grenzt die Diagnose klinisch zum dentogenen Logenabszess oder zum Mundhöhlenkarzinom ab. Im Nachhinein sind im oben beschriebe- nen Fall die für den massiven Befund nur gering ausgeprägte klinische Symptomatik und die niedrigen Infektparameter auch durch die Tumordiagnose zu erklären. Insge- samt geben eine einseitige Drüsen- schwellung ohne Bezug zur Nahrungs- aufnahme oder Speichelsekretion, ein kontinuierliches Fortschreiten des Befunds oder Schmerzfreiheit erste Hinweise auf das Vorliegen eines tumorösen Geschehens. Eine peri- phere Fazialisparese oder auch eine Mitbeteiligung des N. lingualis, in Form einer einseitigen Zungentaub- heit oder von Geschmacksverlust in dessen Versorgungsgebiet, ist ein In- dikator für Malignität. Im Anschluss sollte eine Sonografie der Kopf-Hals- Weichteile erfolgen. Diese ist schnell und einfach verfügbar und ermög- licht eine zuverlässige, wenn auch Untersucher-abhängige Beurteilung der Gl. parotis und submandibularis sowie der zervikalen Lymphknoten. Weiterhin können eine Computer- tomografie (CT) mit Kontrastmittel oder die Magnetresonanztomografie (MRT) zur lokalen Ausbreitungs- diagnostik und zur Beurteilung der zervikalen Lymphknoten eingesetzt werden. Bei ausgedehnten Befunden kann im Rahmen des komplettierenden Sta- gings die Diagnostik zusätzlich mit der Positronenemissionstomografie (PET) ergänzt werden. Besteht der Verdacht auf ein malignes Geschehen oder ist eine ausgedehnte Operation geplant, so sollte in jedem Fall prä- operativ eine repräsentative Gewebe- probe zur histopathologischen Dia- gnosesicherung gewonnen werden. Prinzipiell stehen hierzu zwei Ver- fahren zur Verfügung: die ultraschall- gesteuerte Feinnadelaspirationszyto- logie oder die offene Biopsie. Nach Si- cherung der Diagnose und Abschluss des Stagings sollte nach Möglichkeit eine chirurgische Therapie eventuell in Kombination mit einer adjuvanten Strahlentherapie erfolgen [Guzzo et al., 2010; Ettl et al., 2012; Sood et al., 2016]. Aufgrund der Seltenheit primärer Plattenepithelkarzinome der Gl. sub- mandibularis existieren keine klini- schen Studien zur Therapie dieses Tumors. Eine deutschsprachige S3- FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Bei progredienten, schmerzarmen Schwellungen im Bereich der Speichel- drüsen ohne Bezug zur Nahrungs- aufnahme muss an einen Speichel- drüsentumor gedacht werden. \ Affektionen von N. facialis und/oder lingualis sind Zeichen des infiltrativen Wachstums und somit für Malignität. \ Bei Verdacht auf einen Speicheldrüsen- tumor soll eine Überweisung an eine Fachklinik erfolgen. \ Ein zeitnahes, interdisziplinäres Therapiekonzept, das individuell auf den jeweiligen Fall zugeschnitten ist, beeinflusst die Prognose entscheidend. \ Nach Möglichkeit sollte ein Erhalt oder eine Rekonstruktion der Unterkiefer- kontinuität beziehungsweise des N. facialis angestrebt werden, eine R0-Resektion hat jedoch Vorrang. OBERSTARZT PROF. DR. DR. RICHARD WERKMEISTER Klinik VII; Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie Bundeswehrzentralkrankenhaus Rübenacherstr. 170, 56072 Koblenz Foto: BWZK Abb. 7: Intraoperativer Situs: radikale Resektion des Tumors inklusive des Unterkiefers Foto: Peer Kämmerer 30 | ZAHNMEDIZIN

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