Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11

zm 111, Nr. 11, 1.6.2021, (1016) Strang ziehen, die besten Ergebnisse erzielen. Dies hat sich zuletzt sehr eindrucksvoll bei der Aligner-Anhörung im Deutschen Bundestag gezeigt, als wir gemeinsam und kraftvoll für Regelungen im Berufsrecht geworben haben. Die im Sommer vergangenen Jahres verabschiedete Approbationsordnung (AppOZ) hätte eigentlich der größte gesundheitspolitische Erfolg in der Amtszeit dieses Vorstands werden können. Aber die Freude hält sich in Grenzen. Woran liegt das? Benz: Es liegt natürlich daran, dass das Gesetz zwar be- schlossen ist, wir aber nicht sicher sein können, dass die neue AppOZ alle beabsichtigten Wirkungen auch ent- falten wird. Aber wir sollten das nicht schlechtreden. Die Tatsache, dass die Approbationsordnung nach 64 Jahren nun endlich modernisiert wurde, wird zweifellos in die Geschichtsbücher der deutschen Zahnmedizin eingehen. Engel: Das größte Problem sind die angeblich fehlenden Gelder in den Ländern. Aber die Corona-Krise zeigt ja, welche Ressourcenmobilisierung der politische Wille möglich macht. Mit dieser Intensität sollten wir künftig auch in Bildung und Zukunft investieren – und damit auch in die neue AppOZ. Thema Vergewerblichung und Kommerzialisierung im Gesundheitswesen. Wie schätzen Sie die Entwick- lungen ein? Engel: Die Entwicklung hin zu gewerblichen Strukturen in der Medizin insgesamt hat sich leider in den vergangenen Jahren beschleunigt – Stichwort Dentalketten. Damit ent- fernen wir uns immer weiter vom ursprünglichen Kern des Heilberufs. Wir haben seit vielen Jahren vor dem Ein- fluss der Ökonomie auf ärztliches Handeln gewarnt, aber leider bislang zu wenig Gehör gefunden. Benz: Wir hören ja immer aus der Politik, dass die Zahn- medizin auch kosmetische und ausschließliche Wunsch- behandlungen durchführe und das sei doch zweifelsfrei Gewerbe. Auf den ersten Blick scheint es da eine Abgren- zung von Medizin und Gewerbe zu geben, doch im Kern bleibt jede Behandlung letztlich eine medizinische, weil immer auch die körperliche Integrität des Patienten be- troffen ist, die in die Hand des Heilberuflers gehört. Es gibt also nur eine Zahnmedizin. Welche Rolle spielen Konzentrationsprozesse in urbanen Bereichen? Oesterreich: Die Konzentration im städtischen Raum schafft Wettbewerbsdruck. Schauen Sie sich zum Beispiel die hohe Versorgungsdichte in den Großstädten an, wo sich zusätzlich auch noch ZMVZ bilden. Werbung, gewerbliche Aussagen wie „PZR heute zum Sonderpreis“ und unkollegiales Verhalten schaffen Deprofessionalisie- rung und Verstöße gegen das Berufsrecht und auch gegen die Gebührenordnung. Das Berufsrecht, das zwar durch die Rechtsprechung, aber auch durch Gesetze über Jahre hinweg verändert wurde, dient doch in erster Linie dem Patientenschutz: Die Patientinnen und Patienten müssen sicher sein, dass der Zahnarzt und die Zahnärztin eigen- verantwortlich, unabhängig und nicht gewerblich als Heilberufler handeln. Engel: Werbekosten, Renditen für Dentalketten-Investoren, das sind letztlich alles Ressourcen, die der gesundheitlichen Versorgung der Patienten entzogen werden. Mit Ausnahme der Fremdinvestoren kann niemand an einer solchen Ent- wicklung ein Interesse haben. Wenn niemand ein Interesse daran haben kann, wie argumentieren denn Politiker in den Gesprächen, die sie führen? Benz: Aus der Politik hören wir immer die gleichen Argu- mente für Großversorgerstrukturen im Gesundheitswesen: Kleinere Strukturen könnten die heute notwendigen Spe- zialisierungen nicht leisten und wären auch nicht in der Lage, die Investitionen für moderne Gerätschaften zu stemmen. Wir haben kein Problem mit Spezialisierung. Der zahnärztliche Generalist kann 90 Prozent der Be- handlungsfälle gut abdecken und für den Rest existiert eine etablierte Versorgungsstruktur. Und wenn die Vergü- tung nicht reicht, um notwendige moderne notwendige Gerätschaften kaufen zu können, sollte die Politik eher dort ansetzen. Es gibt also weit und breit keinen Grund, in der Zahnmedizin Großversorgerstrukturen zu bevor- zugen. Wenn wir das vorbringen, ist die Überraschung bei unseren Gesprächspartnern zwar groß, aber es ist eine Sisyphusarbeit, gegen festgefahrene Positionen zu argumentieren. Ist die von vielen totgesagte Einzelpraxis also in Wahrheit quicklebendig? Engel: Anders als vor 30 Jahren würde ich sie nicht mehr als Goldstandard sehen, aber sie hat strukturell gesehen nach wie vor ihre Berechtigung und das nicht nur in der dünn besiedelten Fläche. Und wie steht es mit dem Argument, Großversorger- strukturen würden effizienter arbeiten als kleine Praxen? Benz: Das Argument ist genauso falsch. Wir sind bereits an der „Effizienzdecke“ angelangt. Die vielgerühmten Rabattvorteile der Großen beim Einkauf belaufen sich in der Praxis auf kümmerliche einstellige Prozentwerte. BZÄK-Vize Prof. Dr. Christoph Benz Foto: axentis.de 34 | POLITIK

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