Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11
zm 111, Nr. 11, 1.6.2021, (1022) genügen. Teilweise beschränke sich die „Partnerschaft“ allerdings darauf, das Räume zur Verfügung gestellt werden, teilweise werde nur der 3-D-Scan durch den Partnerzahnarzt durchgeführt. Regelmäßige Behand- lungskontrollen durch den „Partnerzahnarzt“ finden in der Regel nicht statt, kritisiert der BDK in seiner Stellungnahme. Die Patienten seien sich der möglichen Komplikationen, die sich daraus ergeben können, oft aber gar nicht be- wusst. KZBV, BZÄK und der BDK befürworten daher unisono Bestrebungen, die Tätigkeit gewerblicher Anbieter von zahnärztlichen Leistungen stärker zu regulieren. STÄRKERE KONTROLLEN FÜR GEWERBLICHE ANBIETER „Ausschließliche Fernbehandlung oder Anleitung zur Selbstbehandlung werden der Komplexität einer Heil- behandlung in keiner Weise gerecht und können die Gesundheit von Patientinnen und Patienten gefährden“, betonen KZBV und BZÄK. „Nur die Behandlung bei Zahn- ärztinnen und Zahnärzten garantiert die Sicherheit einer qualitativ hochwertigen Versorgung.“ ck Mit dem Antrag „Patientensicherheit bei Aligner- Behandlungen durchsetzen“ forderte die FDP-Fraktion die Bundesregierung auf, mit den Gremien der Zahnärzteschaft Maßnahmen zu ergreifen, damit Aligner-Behandlungen nicht mehr von gewerblichen Unternehmen ohne vollumfängliche zahnheilkundliche Begleitung durch approbierte Kiefer- orthopäden oder Zahnärzte angeboten werden können. BEISPIEL SMILEDIRECTCLUB FERNBEHANDLUNGEN IN GROßBRITANNIEN In Großbritannien haben der General Dental Council (GDC) und die Care Quality Commission (CQC) als Aufsichtsbehörden nun auch Fernbehandlungen unter die „Ausübung der Zahnheilkunde“ gefasst. Den neuen Patientenrichtlinien zufolge müssen kieferorthopädische Maßnahmen künftig vollständig von einem Zahnarzt beurteilt werden. Außerdem ist eine direkte Interaktion zwischen Zahnarzt und Patient unerlässlich. Der Patient muss darüber hinaus den Namen und die Registrierungsnummer des für seine Behandlung verantwortlichen Zahnarztes kennen. Die British Dental Association (BDA) hat diesen Schritt begrüßt, hält die Regelungen aber für nicht weitreichend genug. Fernversorgungen mit Kunststoff-Alignern auf der Basis eines 3-D-Scans oder per Abdruck aus einem Set könnten zu grundlegenden und möglicherweise irreversiblen Zahnverschiebungen führen, warnt die BDA: „Die BDA hat Patienten mit fortgeschrittener Zahnfleischerkrankung gesehen, die mit dem Tragen dieser Zahnspangen in Verbindung gebracht wurden, was möglicherweise zu Zahnverlust führte.“ Sie fordert daher, dass gewerbliche Aligner-Anbieter – wie jede Zahnarzt- praxis – ihre Räumlichkeiten registrieren müssen und den üblichen Qualitätsprüfungen unterliegen. Bei Verstößen sollte zudem klar sein, welche Sanktionen dann zum Tragen kommen. „Richtlinien sind eine Sache, aber was wirklich gebraucht wird, sind Regeln und Vorschriften zum Schutz der Patienten“, sagte der BDA-Vorsitzende Eddie Crouch. „Die Regulierungsbehörden haben erkannt, dass bei Alignern eine fundierte Diagnose auf der Grundlage einer informierten Zustimmung entscheidend ist. Sie können sich aber der Tatsache nicht entziehen, dass das Direct-to-Patient-Modell mit vielen Grundprinzipien, die eine anständige Versorgung untermauern, nicht vereinbar ist. Solange es keine angemessenen Sicherheitsvorkehrungen gibt, werden wir Zahnärzte die Scherben dieser unsachgemäßen Behandlungen aufsammeln müssen.“ Die BDA verweist in ihrem Statement auf eine Untersuchung des US-Senders NBC bei SmileDirectClub – einem führenden Anbieter von Aligner-Sets. Die Recherche der Reporter ergab, dass es durch die Behandlungen in vielen Fällen zu Fehlstellungen, Kreuzbissen und Zahnverlusten kam. Beschwerden – wie Migräne und Nervenschäden – waren die Folge. Die Patienten mussten sich nicht persönlich von einem Zahnarzt untersuchen lassen, unzufriedene Kunden eine Vertraulichkeitsvereinbarung unterschreiben. „Die wirtschaftlichen Interessen des Patienten sind weiter dadurch beeinträchtigt, dass bei einer Behandlung durch gewerbliche Anbieter häufig eine unklare Haftungslage bei fehlerhaften Behandlungen vorliegt und der Patient im Übrigen das – bei Start-ups üblicherweise höhere – Insolvenzrisiko trägt.“ Stephan Gierthmühlen, Fachanwalt für Medizinrecht 40 | POLITIK
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