Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11
zm 111, Nr. 11, 1.6.2021, (1024) MUNDGESUNDHEIT IN DER PFLEGE Pflegewissenschaftler und Zahnärzte erarbeiten neuen Expertenstandard Elmar Ludwig Mundgesundheit entsteht in der engen Verflechtung von professioneller zahnärztlicher Betreuung und guter häuslicher Mundhygiene. Können Pflegebedürftige ihre Mundhygiene nicht mehr selbst ausführen, müssen pflegende Angehörige oder professionell Pflegende die Defizite ausgleichen. Erstmals haben Zahnmediziner und Pflegeexperten in interprofessioneller Zusammenarbeit nun einen Leitfaden für die Sicherstellung der Mundhygiene bei Menschen mit Pflegebedarf erarbeitet. P flegekräfte stehen vor der He- rausforderung, dass Menschen mit Pflegebedarf immer mehr eigene Zähne beziehungsweise tech- nisch aufwendigen und teilweise im- plantatgestützten Zahnersatz haben. Deshalb ist es heute mehr denn je notwendig, dass bei diesen Menschen am besten mehrmals täglich eine be- darfsgerechte Mund- und Prothesen- hygiene durchgeführt wird. Neben Mundgeruch und ästhetischen Be- einträchtigungen kann eine schlechte Mundgesundheit nicht nur durch schmerzbedingt aggressives Verhalten den Pflegealltag erheblich belasten. Auch die Auswirkungen einer schlechten Mundgesundheit auf den allgemeinen Gesundheitszustand, die Ernährung und das Wohlbefinden sind evident. Die fünfte deutsche Mundgesundheitsstudie [DMS V, 2016] belegt, dass viele pflegebedürftige Menschen Unterstützung bei der Zahn-, Mund- und Zahnersatzpflege benötigen. DIE BUNDESZAHNÄRZTEKAMMER SUCHTE DAS GESPRÄCH Die Zeitvorgaben für pflegerische Maßnahmen sind bekanntlich knapp bemessen und mitunter gerät die Mundhygiene bei der Pflege ins Hin- tertreffen. Es gab bislang auch keine orientierenden Vorgaben für die Durchführung der Mundpflege bei Menschen mit pflegerischem Unter- stützungsbedarf. Um Pflegende bei der Förderung der Mundgesundheit dieser Menschen praktisch und theoretisch zu unterstützen, trat die Bundeszahnärztekammer bereits im Jahr 2017 zusammen mit zahnmedi- zinischen Fachgesellschaften an das Deutsche Netzwerk für Qualitätsent- wicklung in der Pflege (DNQP) heran und schlug die Erarbeitung eines Expertenstandards zur Förderung der Mundgesundheit in der Pflege vor. Das DNQP ist ein bundesweiter Zu- sammenschluss von Fachleuten aus der Pflegepraxis, der Pflegewissenschaft und dem Pflegemanagement, der sich seit 20 Jahren mit dem Thema Qua- litätsentwicklung auseinandersetzt und Expertenstandards für die Pflege entwickelt. Das DNQP begrüßte den Vorschlag der BZÄK, denn auch dort hatte man seit längerer Zeit den Bedarf an einem fachlich unterstützenden Leitfaden für die Praxis erkannt. In der Folge wurde über einen Prozess öffentlicher Ausschreibungen eine Expertenarbeits- gruppe gebildet . Die wissenschaftliche Leitung wurde Prof. Dr. Erika Sirsch von der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar (PTHV) über- tragen. Neben Fachleuten aus der Pflege war es dem DNQP wichtig, für diesen Standard zur Förderung der Mundgesundheit auch Experten der Zahnmedizin in die Arbeitsgruppe zu berufen. Die Beteiligung von Medi- zinern war bei den bisherigen Stan- dards nicht üblich. DAS DNQP KOORDINIERTE DIE EXPERTENARBEIT Die inhaltliche Erarbeitung des Ex- pertenstandards erfolgte im Rahmen von sechs ganztägigen Sitzungen, die zwischen März 2019 und Oktober 2020 in Berlin, Osnabrück sowie digi- tal stattfanden. Dazwischen erfolgten zahlreiche Telefon- und Videokonfe- renzen sowie schriftlicher Austausch per Mail zwischen den Beteiligten, die sich auch in Kleingruppen inten- siv mit den Themen des Experten- standards auseinandersetzten. Die Moderation des Gesamtprozesses lag beim DNQP. Auf Basis einer umfassenden Literatur- recherche – nach einem vom DNQP vorgegebenen Verfahren – erarbeitete die Expertenarbeitsgruppe eine auf die pflegepraktischen Belange aus- gerichtete Kommentierung. Diese er- laubt es, den Standard an die ver- schiedenen Zielgruppen des jeweili- gen Pflege-Settings anzupassen. Als Ergebnis dieser Arbeiten wurde am 28. Mai 2021 in einer Konsensus- konferenz der finale Entwurf des Expertenstandards zur „Förderung der Mundgesundheit in der Pflege“ zur Diskussion gestellt. DR. ELMAR LUDWIG Referent für Alterszahnheilkunde der LZK Baden-Württemberg Zahnärztliche Gemeinschaftspraxis Dr. Markus Dirheimer & Dr. Elmar Ludwig Neue Str. 115, 89073 Ulm elmar_ludwig@t-online.de Foto: Elmar Ludwig 42 | ZAHNMEDIZIN
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