Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11

zm 111, Nr. 11, 1.6.2021, (1040) kann somit die Primärstabilität des Implantats verbessern. Dies scheint vor allem dann sinnvoll, wenn eine geringe Restknochenhöhe vorhanden ist [Borges et al., 2011; Chricchio et al., 2010; Falah et al., 2016]. Auf die Verwendung von Knochen- ersatzmaterialien zur Stabilisierung des Implantats kann dabei vollstän- dig verzichtet werden. So konnten Starch-Jensen et al. in ihrem 2017 veröffentlichten Review zeigen, dass sich der Implantatstabilitätsquotient nach einer Sinusbodenelevation ohne die Verwendung von Knochen- ersatzmaterialien nach einer sechs- monatigen Einheilzeit nicht signifi- kant von dem einer Sinusbodeneleva- tion mit autogenem mandibulärem Knochentransplantat unterscheidet. Außerdem zeigte sich, dass die sechs Monate postoperativ gemessene Kno- chendichte bei Augmentationen mit alleinigem Blutkoagel im Vergleich zu Augmentationen mit allogenem Ersatzmaterial statistisch signifikant höher war. Um das Risiko einer Membranperfo- ration weitgehend zu reduzieren, er- folgte die Anlage des Knochenfensters piezochirurgisch. So konnten Stacchi et al. in ihrem Review zeigen, dass die Piezochirurgie mit 10,9 Prozent eine deutlich geringere Wahrscheinlich- keit der Membranperforation im Ver- gleich zu rotierenden Instrumenten mit einer Wahrscheinlichkeit von 20,1 Prozent hat [Stacchi et al., 2017]. Unter Klinikern ist die Verwendung von Membranen zur Abdeckung des geschaffenen Subantralraums weit ver- breitet [García-Denche et al., 2013]. Begründet wird diese operative Maß- nahme mit den allgemein gültigen Regeln der Guided Bone Regenera- tion. Dabei soll die Abdeckung des lateralen Fensters zum einen den Ver- lust von Transplantatmaterial durch das Zugangsfenster und zum anderen das Eindringen von Weichgewebe in den Sinus verhindern, um die Kno- chenregeneration in der Nasenneben- höhle zu fördern. Auch Starch-Jensen et al. kommen in ihrer 2019 ver- öffentlichten Metaanalyse zu dem Schluss, dass eine Barrieremembran- abdeckung des lateralen Fensters vor- teilhaft zu sein scheint, da eine Mem- branabdeckung den Prozentsatz des neu gebildeten Knochens erhöht, die Proliferation von nicht mineralisier- tem Gewebe in den Sinus verringert und die Verschiebung des Transplan- tatmaterials verhindert. Jedoch ergab genau diese systematische Überprü- fung und Metaanalyse keinen statis- tisch signifikanten Unterschied in den Behandlungsergebnissen nach Augmentation des Sinus maxillaris mit oder ohne Barrieremembran- abdeckung des lateralen Fensters. Die Autoren sprechen somit lediglich von statistisch nicht signifikanten Tendenzen und weisen darauf hin, dass die aus den Ergebnissen gezoge- nen Schlussfolgerungen mit äußerster Vorsicht interpretiert werden sollen. Am Ende fehlt auch in diesem Be- reich eine klare und eindeutige Evidenz für die Empfehlung einer OP-Variante. In einer von Garcìa-Denche et al. 2013 veröffentlichten Studie lag die Wahrscheinlichkeit eines Verlusts von Transplantatmaterial über das Zugangsfenster bei 5,8 Prozent und hatte keinen Einfluss auf den Be- handlungserfolg. Somit scheint diese Begründung für die Verwendung einer zusätzlichen Membran eher fragwürdig, zumal beim hier unter- suchten OP-Protokoll kein Knochen- ersatzmaterial Anwendung findet. Auch die Aussage, dass durch die zu- sätzliche Abdeckung des lateralen Fensters ein Einwachsen von Binde- gewebe in den Subantralraum ver- hindert werden kann, sollte kritisch hinterfragt werden. Das Periost ent- hält undifferenzierte mesenchymale Zellen und osteogene Vorläuferzellen und kann somit die Knochenbildung unterstützen [Colnot et al., 2012]. Die Abdeckung des lateralen Fensters mit einer Barrieremembran würde genau diesen positiven Effekt verhin- dern. Zudem wäre es hinsichtlich des OP-Protokolls inkonsequent, im Subantralraum auf Fremdmaterial zu verzichten, dieses dann aber für die Abdeckung des lateralen Fensters zu verwenden. So gesehen bleibt ent- weder die Möglichkeit der Reposition des Knochendeckels oder aber der Verzicht auf operative Maßnahmen zum barrieredichten Verschluss des lateralen Knochenfensters. Erfolgt der Zugang zum Subantral- raum über die Präparation eines Kno- chendeckels, kann dieser entweder für den Verschluss des lateralen Fens- ters verwendet oder aber belassen und mit der Membran in die Kiefer- höhle eingeschlagen werden. Das Einschlagen des Knochendeckels könnte sich positiv auf den vertika- len Knochengewinn ausüben, indem dieser als eine Art Dach des neu ge- schaffenen Subantralraums fungiert. Die durch die Implantate lediglich zeltstangenartige und damit inadä- quate Abstützung des Subantralraums würde durch den zusätzlichen Kno- chendeckel verbessert und könnte somit der Knochenresorption durch den Luftdruck im Sinus maxillaris besser entgegenwirken [Borges et al., 2011]. Bei der Verwendung von Thrombozytenkonzentraten kann eine daraus gewonnene Fibrinmem- bran zur Abdeckung des lateralen Fensters benutzt werden. Diese hat jedoch aufgrund der schnellen Resorption keine Barrierefunktion, könnte sich aber stimulierend auf die Angiogenese des Gewebes auswirken [Miron und Pikos, 2018]. FAZIT Zusammenfassend lässt sich anhand der aktuellen wissenschaftlichen Lite- ratur belegen, dass die externe Sinus- bodenelevation mit simultaner Im- plantatinsertion ohne Verwendung von Knochenersatzmaterialien vor- hersagbar mit sehr hoher Erfolgs- quote durchgeführt werden kann. Außerdem ergeben sich gegenüber den Operationsverfahren mit Ver- wendung von Knochenersatzmateria- lien einige Vorteile wie eine geringere postoperative Morbidität, eine Kos- tenreduktion durch den Verzicht auf ein Augmentationsmaterial, ein geringeres Infektionsrisiko und eine höhere Patientenakzeptanz. \ ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion ange- fordert werden. 58 | ZAHNMEDIZIN

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