Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11

zm 111, Nr. 11, 1.6.2021, (1049) VERSCHREIBUNGSPRAXIS IN DEN USA Wie Corona die Opioidkrise neu zündet In den USA untersucht ein Gerichtsverfahren die Mitverantwortung von vier Pharmakonzernen an der Opioidkrise im Land. Schätzungen zufolge sind seit dem Jahr 2000 mehr als eine halbe Million US-Amerikaner an einer Überdosis gestorben, nachdem sie infolge einer Schmerztherapie süchtig wurden. Ärzte und Zahnärzte haben ihre Verschreibungspraxis von Analgetika mittlerweile geändert – doch die Pandemie verkehrt diesen positiven Effekt. I m April startete das Verfahren gegen Johnson & Johnson, Teva, Endo und Allergan. Drei kalifor- nische Bezirke sowie die Stadt Oakland werfen den Unternehmen vor, die Risiken starker Opioid-Schmerzmittel – vor allem der Langzeiteinnahme – aus Profitgier verharmlost zu haben und damit eine Mitschuld an der Opioidkrise zu tragen. Nach Angaben der US-Gesundheitsbehörde CDC hat der Missbrauch in den vergangenen zwei Jahrzehnten rund eine halbe Million Tote gefordert, pro Tag ster- ben im Durchschnitt 136 an einer Überdosis. Viele Opfer kommen aus der Mittel- schicht oder dem bürgerlichen Mi- lieu. Sie wurden durch eine allzu laxe Verschreibungspraxis von hoch- dosierten Opioiden abhängig, meist im Rahmen einer Schmerztherapie nach Unfällen oder Operationen. Wenn sich auch mit Tricks keine Folge- verschreibungen mehr erschleichen lassen, wechseln die Betroffenen zu illegalen Drogen wie Heroin. Erste wissenschaftliche Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Corona- Pandemie die Opioidkrise noch ein- mal deutlich verschärft. Eine Studie [Friedman/Akre, 2021] untersuchte dazu die landesweiten Sterbezahlen durch eine Überdosis von Januar bis Juni 2020. Ergebnis: Im Rekordmonat Mai 2020 lag der Wert 57,7 Prozent über dem Vorjahresniveau. Die höchsten Werte wiesen die Bundes- staaten West Virginia, Kentucky und Tennessee auf. 136 MENSCHEN/TAG STERBEN AN EINER ÜBERDOSIS Eine Querschnittsstudie für den Bun- desstaat Ohio [Currie et al., 2021] macht ebenfalls drastische Steigerun- gen der Fallzahlen aus – in einer besonders starken Woche lagen die Sterbezahlen 76,8 Prozent über den Vorjahreswerten. Die Arbeit zeigt zu- dem Zusammenhänge zwischen zeit- lichen Mustern von Überdosierungen und politischen Maßnahmen zur Be- kämpfung der Pandemie auf. Wie die Autoren beschreiben, folgte auf die Ausrufung eines nationalen Gesund- heitsnotstands Mitte März 2020 (mit Einschränkungen des öffentlichen Lebens) ein erster Anstieg der Todes- fälle durch Opioid-Überdosierung in Ohio. Als im August 2020 die Be- schränkungen wieder gelockert wur- den, sank die Zahl wieder. Rund 73 Prozent aller tödlichen Überdosierun- gen waren der Studie zufolge auf das Opioid Fentanyl zurückzuführen, das 50-mal potenter ist als die illegale Opioid-Droge Heroin und in den USA auch in der Zahnmedizin eingesetzt wurde und wird. Eine Studie der Universität Pittsburgh [Suda et al., 2020] weist nach, dass die Verschreibungspraxis von US- Zahnärzten in der Vergangenheit zur Foto: Adobe Stock_Andy Dean Wie die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) melden, sind seit 2002 rund eine halbe Million US-Amerikaner an einer Opioid-Überdosis gestorben. GESELLSCHAFT | 67

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