Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11

zm 111, Nr. 11, 1.6.2021, (1051) E ine ergonomisch eingerichtete Praxis folgt dem Grundkonzept, dass der Aufbau wie auch die Instru- mente und Utensilien auf die Arbeitsabläufe und die Personen abgestimmt sind. Dafür sollten die Behand- lungseinheiten und die Arbeitsstühle von Zahnarzt und Assistenz so positioniert sein, dass nach einer unnatür- lichen Position während einer Behandlung automatisch, also intuitiv, wieder eine gesunde Haltung eingenommen wird. „Am besten lernt man diese Haltung schon wäh- rend der Ausbildung, um sie später als feste Gewohnheit mit in die Praxis zu übernehmen“, sagt Prof. Dr. Jerome Rotgans, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft „Ergono- mie in der Zahnheilkunde“ (AGEZ). Der Schlüssel liegt Rotgans zufolge im Workflow. Ist der Arbeitsablauf bestmöglich an die eigene, gesunde Hal- tung angepasst, hat man die Ergonomie großenteils mit- berücksichtigt. Das heißt: Man vermeidet Rotationen der Wirbelsäule, hochgezogene Schultern, vom Körper abge- spreizte Ellbogen, einen geneigten und verdrehten Kopf und nicht zuletzt das gestreckte „Fußschalterbein“ für die Bedienung der dynamischen Geräte. Denn das sind Arbeitsbewegungen, die den Körper aus der Balance brin- gen. Wirbel und Bandscheiben können Schaden erleiden, Beschwerden wie Kopf-, Nacken-, Schulter- und Rücken- schmerzen folgen. Aus einer aktuellen Untersuchung unter Zahnärzten und Zahnmedizinstudierenden zur Prävalenz von Muskel- Skelett-Erkrankungen geht hervor, dass 65,5 Prozent der 450 Befragten zwischen 23 und 75 Jahren in den vergangenen sieben Tagen Schmerzen oder Beeinträch- tigungen festgestellt haben. 95,8 Prozent leiden ihr ge- samtes Berufsleben darunter [Ohlendorf et al., 2020]. HAUPTSACHE DER PATIENT LIEGT BEQUEM? FALSCH! Eine ungesunde Körperhaltung fängt mit dem halb lie- genden Patienten auf dem Behandlungsstuhl an: Hier ist die Ergonomie beim sitzenden Behandler deutlich einge- schränkt, der Oberkörper vorgebeugt, der Kopf verdreht. Diese unnatürliche Position führt auf Dauer zu einer Überlastung der Wirbelsäule. Die regelmäßige Kontrolle von Haltung und Sitzposition im Arbeitsalltag ist daher elementar. „Im Zentrum der Behandlung steht meist die für den Patienten angenehme Position. Der Behandler sollte aber auch in gesunder Haltung arbeiten können“, sagt Rotgans. „Erklären Sie beispielsweise mit leicht amü- santem Unterton ruhig: Um gut zu arbeiten, muss ich Ihnen jetzt den Kopf verdrehen.“ Seiner Erfahrung nach sind Patienten fast immer bereit, auch mal unbequemer zu liegen (und haben das bis zum nächsten Termin wieder vergessen), wenn es der Behandlung hilft. Auf Frauen im Beruf ist der Markt Rotgans zufolge immer noch nicht eingestellt: „Beispielsweise sind die Sitzflächen ERGONOMIE IN DER PRAXIS Bitte Haltung zeigen! Jerome Rotgans Wer sich ständig krumm macht für seine Patienten, sollte auf seinen Rücken achten. Stress, Zeitdruck und falsche Bewegungsabläufe können eine schlechte Haltung noch begünstigen. Wichtig ist, sich Fehlhaltungen und ungesunde Bewegungsabläufe bewusst zu machen. PROF. DR. JEROME ROTGANS Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft „Ergonomie in der Zahnheilkunde“ (AGEZ) in der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) Foto: privat Foto: AdobeStock_endostock PRAXIS | 69

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