Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11

zm 111, Nr. 11, 1.6.2021, (1056) Z war sind in Syrien einige Hilfsorganisationen im Einsatz, die sich um die Basis-Gesundheitsversor- gung kümmern, die Zahnmedizin bleibt jedoch oft außen vor, da sie in der allgemeinen Notlage als nicht dringlich angesehen wird. Da traf es sich gut, dass uns ein großes, voll funktionsfähiges Wohnmobil geschenkt wurde, das wir kurzerhand zu einer mobilen Zahnarztpraxis um- bauten. Eine fahrende Praxis also, die sich flexibel zwischen den verschiedenen Standorten rund um Aleppo bewegen und Patienten behandeln kann. Deutsche Zahnärzte nach Syrien zu senden, wäre zu gefährlich gewesen. Mit der syrischen Organisation Independent Doctors Association (IDA) war schnell und unbürokratisch ein verlässlicher Partner vor Ort gefunden. Seither fährt das Zahnarztmobil von Flüchtlingscamp zu Flüchtlingscamp und führt kostenlos Behandlungen durch. Das medizi- nische Personal besteht aus einem Zahnarzt und seiner Assistentin, beide arbeiten an sechs Tagen die Woche von morgens bis abends in dem Mobil. Nach zehn Jahren Bürgerkrieg ist das provisorische Leben in den Zelten in Syrien leider an vielen Orten und für viele Menschen zum Dauerzustand geworden. VIELE HABEN SEIT JAHREN KEINEN ZUGANG ZU ZAHNMEDIZINISCHER VERSORGUNG Von Anfang an begleitet der Zahnarzt Dr. Basil Orfali das Projekt, er ist unser wichtigster Mann vor Ort. Er erzählt: „Ich sehe einige Patienten, die zu lange mit dem Zahn- arztbesuch gewartet haben, oft weil sie schlicht keine Möglichkeit dazu hatten. Ich hätte viele Zähne retten können, wenn ich die Patienten früher gesehen hätte. Ungefähr die Hälfte der Patienten sind Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren. Sie leiden unter Karies, aber auch unter kieferorthopädischen Problemen. Alle medi- zinischen Leistungen sind in der mobilen Zahnklinik verfügbar, mit Ausnahme von festen und mobilen Zahn- prothesen. Oft wurde eine Zahnbehandlung an einem alten Wohnort angefangen, und dann nicht fortgeführt. Viele Menschen hatten jahrelang einfach keinen Zugang zu zahnmedizinischer Versorgung – weil es keinen Zahn- arzt gab oder weil sie kein Geld für die Behandlung hatten – und nehmen viele Schmerzmittel.“ Die Schlangen vor dem Zahnarztmobil waren jeden Tag sehr lang. Zu lang, um sie an einem Tag abzuarbeiten. Schließlich fragte IDA an, ob wir ein zweites Mobil schicken könnten. Gesagt, getan! Wir konnten einem Lebensmittelhändler sein gut erhaltenes Fahrzeug ab- kaufen und bauten auch das zu einer Zahnarztpraxis um – mit Zahnarztstuhl, sämtlichen Geräten für eine Basis- ausstattung und einer Grundversorgung an Verbrauchs- materialien. Wie bei der ersten fahrenden Praxis wurde eine Solaranlage aufs Dach montiert, damit das Mobil sich selbst mit Strom versorgen kann. Wir vereinbarten, dass die benötigten Utensilien in Zu- kunft vor Ort beschafft werden sollten. Das ist logistisch wesentlich einfacher und billiger, außerdem können die beiden Zahnärzte so mit den Materialien arbeiten, die sie BERICHT DER GRÜNHELME Einsatz in Syrien Yvonne Neudeck Wie wichtig sind Zahnstein oder Karies, wenn es Bomben regnet? Wer denkt schon an einen Zahnarztbesuch, wenn er um sein Leben fürchten muss? Was, wenn der eigene Zahnarzt längst das Land verlassen hat und die Praxis gar nicht mehr existiert? Vor gut fünf Jahren haben wir Grünhelme, ein humanitärer Verein mit Sitz in Bonn, er- fahren, dass es in Syrien kaum Hilfe im zahnmedizinischen Bereich gibt. YVONNE NEUDECK Geschäftsführerin Grünhelme e.V. Foto: privat Der syrische Zahnarzt Dr. Basil Orfali bei der Arbeit mit einer jungen Patientin Eines der beiden Zahnarztmobile auf dem Weg durch die Flüchtlings- camps zu einem der Standorte rund um Aleppo 74 | GESELLSCHAFT

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