Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12
zm 111, Nr. 12, 16.6.2021, (1143) eine Rolle spielen können. Der Zugang zu und der Umgang mit Menschen mit Demenz erfordern spezielle Kom- petenzen. Zentral für die erfolgreiche Beziehungsgestaltung ist dabei – aus- gehend von den mitunter zunächst sinnlos erscheinenden Äußerungen, Gesten oder Handlungen –, das dem Augenblick zugrundeliegende Gefühl zu erspüren und den Menschen in seiner Welt „abzuholen“. Die Techniken der sogenannten Vali- dation (Wertschätzung) können ent- scheidend zum Gelingen der Zahn- und Mundpflege – wie übrigens auch der zahnärztlichen Behandlung – bei- tragen. Eine Ansprache mit kurzen und klaren Hinweisen zu den geplan- ten Maßnahmen sowie die Anbah- nung – den Körperkontakt also zu- nächst zum Beispiel am Arm zu beginnen und dann die Hand bis zum Kopf beziehungsweise Mund zu führen – sind weitere wichtige Aspekte für das Gelingen der Mundpflege. ASPIRATION VERMEIDEN UND ERGONOMISCH ARBEITEN Im Alter und noch mehr bei Pflegebedürftigkeit kommt es bei der Mundpflege zudem darauf an, Schluckstörungen zu beachten und die Gefahr der Aspiration zu mini- mieren. Entscheidend ist nicht nur eine geeignete Körperhaltung der unterstützungsbedürftigen, sondern auch der unterstützenden Person – sonst schmerzt schnell der Rücken und die Motivation ist dahin. Idealerweise erfolgt die Mundpflege im Sitzen am Waschbecken auf einem Toiletten- beziehungsweise Badstuhl – gegebenenfalls auch im Rollstuhl oder auf der Sitzfläche des Rollators – mit nach vorn gebeugtem Oberkörper, das Kinn etwas zur Brust geneigt. Die aufrechte Kopf-Körper- Haltung gelingt noch besser mit den Füßen auf dem Boden statt auf den Fußstützen. Werden die Fußstützen zur Seite geklappt, kann die Person näher ans Waschbecken gefahren wer- den. Die Unterstützung der Mund- pflege erfolgt im sicheren breitbeini- gen Stand in einer Art Fechterstellung mit leicht angewinkelten Knien und möglichst vielen Abstützungspunk- ten seitlich neben dem Patienten. Ein Arm greift dabei um den Kopf, der Abb. 1a und 1b: Abgebrochene Zähne, scharfe Kanten, Karies, Gingivitis/Parodontitis und Beläge haben Folgen – nicht nur in der Mundhöhle, sondern auch im gesamten Organismus. HINTERGRUND Mit steigendem Alter nehmen Erkrankungen und dauerhafte körperliche sowie kognitive Einschränkungen zu und nicht selten wachsen mit der Krankheitslast und der Einnahme von Medikamenten auch Probleme im oralen Bereich. Abnutzungserscheinungen an den Zähnen, freiliegende Zahnhälse, bakterielle Beläge und Entzündungen von Zahnfleisch sowie der Mundschleimhäute befördern Schmerzen und Mundgeruch. Aufwendiger Zahnersatz benötigt mehr Zeit für die Reinigung und steigert die Anforderungen an die tägliche Mund- hygiene. Schlecht sitzende Prothesen verursachen Druckstellen, Schmerzen und Schleimhautverletzungen. Und schließlich fördern die mit dem Alter zunehmenden Parodontopathien durch Bakteriämien über die Zahnfleischtaschen oder die Aspiration viele Allgemein- erkrankungen wie Diabetes, Polyarthritis und Herz-Kreislauf-Erkran- kungen. Aus all diesen Gründen ist die bedarfsgerechte, individuell angepasste Mundpflege gerade bei Menschen mit pflegerischem Unterstützungsbedarf von besonderer Bedeutung. Sie dient keineswegs nur der Aufrechterhaltung des oralen Wohlbefindens, sondern unterstützt aktiv die Vitalität und die Allgemeingesundheit. Fotos: Elmar Ludwig ZAHNMEDIZIN | 49
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