Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12
zm 111, Nr. 12, 16.6.2021, (1144) Zeigefinger kommt über dem Kinn, der Mittelfinger unter dem Kinn und der Daumen auf der Wange zu liegen (Kieferkontrollgriff, Abbildung 2). Ziel ist die Sicherung des Kopfes so- wie die Führung des Unterkiefers zur Minimierung der Verletzungsgefahr. Wichtig ist, dass die unterstützungs- bedürftige Person während der Mundpflege den Kopf nicht zur Seite dreht oder überstreckt. So gelingt das Schlucken am besten. Um auch im Oberkiefer rückengerecht zu arbeiten, erfolgt entweder die Vorbeugung mit gleichzeitiger Vorverlagerung des Knies oder es kann mit etwas Übung die Mundpflege über den Badspiegel verfolgt werden. Alternativ erfolgt die Mundpflege im Bett mit aufgerichtetem Oberkörper und angewinkelten Beinen, also in Komfortsitz-Position, wenn möglich zur Seite der unterstützenden Person hin gelagert. Die notwendigen Maß- nahmen gelingen auch hier besser in breitbeinigem Stand mit guter Ab- stützung der Hüfte und des Ober- körpers seitlich der unterstützungs- bedürftigen Person. Da der Kopf be- reits „gelagert“ ist, kann die Arm- haltung wie im Sitzen um den Kopf herum zur besseren Abstützung des Oberkörpers oder alternativ die Mund- pflege von seitlich vorn erfolgen. Wenn nicht anders möglich, wird die Mundpflege im Bett in Seitlagerung durchgeführt. Die unterstützende Per- son steht dabei entweder wie gerade beschrieben und das Bett ist entspre- chend weit nach oben gefahren, oder sie sitzt auf einem Stuhl, der übereck nah ans Bett gestellt wird, auf gleicher Höhe mit den Ellenbogen abgestützt auf den Oberschenkeln. WAS TUN BEI ABWEHR UND HERAUSFORDERNDEM VERHALTEN? Abwehr beziehungsweise heraus- forderndes Verhalten („care resistant behaviour“ – CRB) kann sich im Hin- blick auf die Mundpflege beispiels- weise durch Wegdrehen des Kopfes, Zusammenpressen der Lippen oder Wegstoßen der Hand bei Annäherung oder auch erst während der Pflege- maßnahmen äußern. In der Pflege werden in diesem Zusammenhang spezielle CRB-Konzepte beschrieben: „managing oral hygiene using threat reduction“ (MOUTh) oder „mouth care without a battle“ (MCWB). Zen- trale Aspekte dieser Konzepte sind: \ Auf eine ruhige Umgebung mit möglichst wenig anwesenden Personen achten \ Die Begegnung auf „Augenhöhe“ im visuellen Feld der Person beginnen \ Entspannt, einfach und respektvoll kommunizieren: keine „Kinder- sprache“, keine „Wir-Form“ verwenden, stattdessen höfliche Anweisungen und Anleitungen mit Erläuterungen der nächsten Schritte geben \ Eher tiefe Tonlage, eher kurze und einfache Sätze, den Namen der unterstützungsbedürftigen Person wiederholen \ Gerne Komplimente machen \ Lächeln bei der Interaktion \ Gesten und Pantomime \ Sanfte Berührungen mit Bedacht anwenden \ Bahnung: Zum Beispiel Mundspül- becher beziehungsweise Zahn- bürste nur anreichen – die unter- stützungsbedürftige Person nimmt den Becher beziehungsweise die Zahnbürste und spült oder führt die Zahnpflege selbst aus (Abbildung 3a), alternativ verbale kurze und knappe Anweisungen \ Spiegelung: Unterstützende Person macht es vor \ Verkettung: Man beginnt die Maßnahme in der Erwartung, dass die unterstützungsbedürftige Person die Maßnahme fortführt beziehungsweise vollendet \ Hand-über-Hand: Man legt gezielt die eigene Hand auf die Hand der Person und beide führen die Bewegung gemeinsam aus \ „Spieglein-Spieglein“: Menschen öffnen ihren Mund häufig auto- matisch, wenn die Mundpflege vor einem Spiegel erfolgt \ Rettung: Eine andere unterstützende Person führt die Mundpflege aus Abb. 2: Die unterstützungsbedürftige Person sitzt idealerweise am Waschbecken, den Oberkörper leicht nach vorn, das Kinn etwas zur Brust geneigt und den Kopf nicht zur Seite gedreht. Die unterstützende Person steht mit „federnden“ Knien und mit möglichst vielen Abstützungspunkten seitlich der zu unterstützenden Person. Der freie Arm sichert locker, aber bestimmt den Kopf: die Hand mit dem Mittelfinger unter dem Kinn, den Zeigefinger – gerne noch mehr als hier dargestellt – über dem Kinn und den Daumen an der Wange. Dieser Kieferkontrollgriff ermöglicht eine gute Führung des Unterkiefers. Übung und immer ein Lächeln auf den Lippen sind weitere wichtige Aspekte, wenn die Mundpflege gut gelingen soll. Foto: Elmar Ludwig 50 | ZAHNMEDIZIN
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