Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12

zm 111, Nr. 12, 16.6.2021, (1150) Bei guter Kooperationsfähigkeit ist im Fall von Mundtrockenheit auch der Einsatz von Xylimelts-Hafttabletten (OraCoat) zu empfehlen – im Gegen- satz zu anderen typischen Speichel- ersatzmitteln spenden diese Tabletten nicht nur ein Feuchtigkeitsgefühl, sondern schützen mit den Inhalts- stoffen Xylit und Kalzium bei leicht basischem pH-Wert sogar die Zähne. Mukositis – wenn die Schleimhaut „brennt“ Sind die Schleimhäute entzündet oder ist eine Entzündung der Schleimhäute etwa aufgrund einer anstehenden Chemo- oder Strahlentherapie im Kopf-Hals-Bereich zu erwarten, mil- dern Tee und Kälteanwendungen, vor allem aber Benzydamin, Entzün- dungsreaktionen der Schleimhäute ab. Benzydamin ist ein entzündungs- hemmender, schmerzlindernder und antibakterieller Wirkstoff, der lokal als Spray, Gurgellösung oder Lutsch- pastille zur symptomatischen Behand- lung von Schmerzen und Reizungen im Mund- und Rachenraum einge- setzt wird. Benzydamin ist auf dem deutschen Markt in verschiedenen Fertigarzneimitteln in Tablettenform oder als Spray, jedoch nur in Tantum Verde (Angelini) auch als Mundspü- lung in alkoholischer Lösung zum Preis von circa 8 Euro für 240 ml ent- halten. Seit Juli 2015 ist Benzydamin im Neuen Rezeptur Formularium (NRF) des Deutschen Arzneimittel Codex (DAC) auch auf wässriger Basis mit Lidocain und Bepanthen verfügbar (NRF 7.15 bis etwa 25–30 Euro für 240 ml – 1.000 ml können auch schon für 40–60 Euro zu haben sein). Für die Dauer beispielsweise einer sechs- wöchigen Bestrahlung im Kopf-Hals- Bereich sollten 1.000 ml verordnet werden. Dabei hat es sich bewährt, bereits ab Beginn der Bestrahlung viermal täglich für jeweils zwei Minu- ten die Menge eines Teelöffels (5 ml) im Mund hin und her zu bewegen und danach auszuspucken. Weitere Hinweise geben die S3-Leit- linie „Supportive Therapie bei onko- logischen PatientInnen“ sowie die „Mucositis Guidelines“ der Multi- national Association of Supportive Care in Cancer. RISIKOPATIENTEN – WAS IST ZU BEACHTEN? Bei Hochrisikopatienten, etwa bei Immunsuppression, auf der Intensiv- station, bei Wachkoma oder bei Dys- phagie sollte die Mund- und Prothe- senpflege häufiger (dreimal) am Tag durchgeführt werden. Die Menge der Zahnpasta sollte minimiert werden. Die Zahnreinigung kann eventuell mit einer Absaugzahnbürste erfolgen (zum Beispiel Plaque vac oder Toothette). Prothesen sollten in jedem Fall über Nacht trocken außerhalb vom Mund gelagert werden. Wird mit Wasser ausgespült, kann es bei bestehender Schluckstörung hilfreich sein, dem Wasser zum Beispiel ein paar Tropfen Minze zuzusetzen – dies erleichtert die Wahrnehmung und mindert so die Aspirationsgefahr. Bei kritisch kranken Menschen kann zudem der Einsatz destillierten oder abgekochten Was- sers sinnvoll sein. Ausspülen gelingt insgesamt besser mit einem Nasen- ausschnittsbecher oder über ein Trink- röhrchen. Die Mundhöhle sollte häu- figer mit feuchten Kompressen aus- gewischt und am besten täglich auf Veränderungen überprüft werden. FAZIT Die Mundpflege erfordert im Ver- gleich zu früher mehr Kompetenzen. Zähne, Implantate und technisch aufwendiger Zahnersatz auf der einen Seite sowie Multimorbidität und Poly- medikation auf der anderen Seite stellen große Herausforderungen in der Pflege dar. Bei eingeschränkter Mobilität und eingeschränkter Ko- operationsfähigkeit, das heißt, wenn die betroffenen Menschen die Mund- hygiene nur noch mit Unterstützung oder gar nicht mehr selbst ausführen können, gelingt die Mundpflege am besten, wenn mit den richtigen Mate- rialien in angemessener Zeit unter Be- rücksichtigung der Aspirationsgefahr ergonomisch gearbeitet wird. Die Ko- operation mit Zahnärzten ist dabei von zentraler Bedeutung. Zur Doku- mentation der gemeinsam festgeleg- ten Hinweise im Hinblick auf die Mundpflege hat sich die sogenannte Pflegeampel sehr bewährt. Sie ver- merkt beispielsweise, ob und wie viel Unterstützung bei der Mundpflege not- wendig ist, ob es überhaupt heraus- nehmbaren Zahnersatz gibt und, wenn ja, ob dieser nachts getragen wird. Auf der Pflegeampel ist auch der Kontakt des zuständigen Zahn- arztes eingetragen (Abbildung 6). \ Hinweis: Dieser Beitrag beruht in Teilen auf Veröffentlichungen des Autors im BZB und in den ZN, Sachsen-Anhalt, und wurde für die zm an die aktuellen Empfehlungen des Expertenstandards des DNQP angepasst. Der Autor gibt an, dass kein Interessen- konflikt besteht. Abb. 6: Die Pflegeampel, zum Beispiel im Schrank des pflegebedürftigen Menschen auf- gehängt, fasst die wichtigsten Informationen zur Mundpflege übersichtlich zusammen. Quelle: LZK BW 56 | ZAHNMEDIZIN

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