Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12
zm 111, Nr. 12, 16.6.2021, (1159) Bethanien ein Pflegeschwerpunkt auf Huntington-Erkrankte gelegt. Kleeberg: „Bei ihnen kann negative Aufregung oder ein erhöhtes Stresslevel zu Schü- ben führen. Daher ist eine Behand- lung in ihrer bekannten Umgebung geeigneter.“ Es sei auch eine Kosten- frage, da die Krankenkassen die Fahr- kosten zur Behandlung sparen. „Au- ßerdem ist es für uns eine zeitliche Erleichterung, weil die Fahrten im- mer begleitet werden müssen.“ Das gemeinsame Ziel sei, so Kleeberg, das Projekt weiter zu etablieren und noch andere Häuser der Einrichtung dafür zu gewinnen. „Allerdings ist die Verlängerung des Projekts von der Bewilligung der Krankenkassen abhängig. Es hat uns sehr gefreut, dass wir im letzten Jahr eine Verlän- gerung für weitere 2 Jahre bis Ende 2022 erhalten haben. Leider ist der- zeit eine dauerhafte Bewilligung noch INTERVIEW MIT OBERARZT DR. PETER SCHMIDT „KÜNFTIG WIRD ES ZUM ALLTAG EINES ZAHNMEDIZINERS DAZUGEHÖREN, VERMEHRT PATIENTEN IN IHRER LEBENSWELT AUFZUSUCHEN!“ 1. Wie viele Studierende nehmen aktuell am Projekt teil? Insgesamt haben in jedem Jahr etwa 90 Studierende aus dem klinischen Abschnitt die Möglichkeit, selbst Teil der aufsuchenden Versorgung zu sein. Jeden Mittwoch begleitet uns eine Studentin oder ein Student in die Einrichtung, damit jeder Studierende die Chance hat, an einem Behandlungstermin mitzumachen. Die Fortführung des Projekts ist definitiv geplant. 2. Wie ist die Resonanz unter den Studierenden? Aus meiner Erfahrung und Beobachtung heraus wird die Teilnahme am Projekt von den Studierenden durchweg positiv empfunden. Wir haben begonnen, das Projekt zu evaluieren und führen Befragungen unter den einzelnen Personengruppen durch. Wir haben bereits die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen, die Angehörigen der Bewohnerinnen und Bewohner sowie die Bewohnerinnen und Bewohner selbst zu dem Projekt und ihren Erfahrungen befragt. Momentan sind wir dabei, die Studierenden zu fragen. 3. Welche Behandlungen führen Sie durch? Jeden Mittwochvormittag behandeln wir im Durchschnitt acht bis zehn Patientinnen und Patienten. Hierfür vergeben wir im Vorfeld Termine. Natürlich werden Schmerzpatienten auch kurzfristig behandelt. Wir führen vor Ort präventive Leistungen durch, beispielsweise Kontrolluntersuchungen, regelmäßige Recalls, professionelle Zahnreinigungen, Füllungstherapien sowie kleinere prothetische Reparaturen. 4. Wie viele Patienten haben Sie insgesamt? Die evangelische Stiftung ist in unterschiedliche Bereiche auf- geteilt. Aktuell betreuen wir zwei Häuser, die zur Spezialpflege gehören. Hier leben Menschen mit schweren Behinderungen, die oft nicht mobil sind. Daher macht es Sinn, vor Ort zahn- medizinische Behandlungen anzubieten. Aufgrund der freien Arztwahl werden nicht alle Bewohnerinnen und Bewohner von uns betreut, aber die Mehrheit. Insgesamt nehmen etwa 100 Personen unser Behandlungsangebot an. 5. Wie nehmen die Patienten die Behandlung an? Wir haben festgestellt, dass die Patientinnen und Patienten in ihrer gewohnten Umgebung entspannter sind. Sie sind froh darüber, dass wir ihnen die Möglichkeit anbieten, sich zu Hause behandeln zu lassen. Neben unserer zahnmedizinischen Behandlung befindet sich in demselben Haus auch eine allgemein- medizinische sowie eine podologische Praxis. 6. Welche Erfahrungen haben Sie gesammelt? Ich persönlich freue mich, dass das Projekt realisiert werden konnte. Für mich ist dieses Projekt Bestandteil eines sich wandelnden Zahnarztberufs. Der Beruf des Zahnarztes wird sich in Zukunft dahingehend wandeln, dass ein Teil der Versorgung nicht mehr nur in der Zahnarztpraxis stattfinden könnte. Künftig wird es zum Alltag eines Zahnmediziners dazugehören, vermehrt Patienten in ihrer Lebenswelt aufzusuchen, besonders Menschen mit Handicap oder demenziellen Erkrankungen. Also diejenigen, die es alters- oder mobilitätsbedingt nicht schaffen, selbst die Zahnarztpraxis aufzusuchen. Im Sinne des Vertrauens- aufbaus und der Stressreduktion müssen bestimmte Angebote in den Lebenswelten stattfinden. Für uns als Universität ist es wichtig und entscheidend, frühzeitig die Studierenden auf diese Arbeit vorzubereiten und zu zeigen, dass diese Form der Behandlung in die Zukunft zunehmend dazugehören wird. So können auch Hemmungen abgebaut werden. Wünschenswert wäre, dass auch andere Universitäten und Institutionen diese Praxiserfahrung mit in ihren Lehrplan aufnehmen, unabhängig davon wie die Umsetzung aussieht. 7. Haben Sie schon Pläne für das Preisgeld? Wir haben den Preis zusammen mit der Evangelischen Stiftung bekommen und werden gemeinsam entscheiden, wofür das Geld verwendet wird. Aktuell sind wir dabei die Räumlichkeiten anzupassen. Hierfür werden wir wahrscheinlich das Geld nutzen. Gerne würden wir uns ein mobiles Röntgengerät zulegen. Seit 2016 arbeitet Dr. Peter Schmidt in der Abteilung und am Lehrstuhl für Behinderten- orientierte Zahnmedizin der Universität Witten/ Herdecke. Zum Oberarzt der Abteilung wurde er im November 2018 ernannt. Zahnmedizin hat er von 2008 bis 2013 in Jena studiert. In den Jahren 2017 bis 2020 hat er ein post- graduales Weiterbildungsstudium zur Kinder- zahnheilkunde an der Universitäten in Gießen und Marburg absolviert. Foto: Dr. Peter Schmidt, Uni Witten/Herdecke GESELLSCHAFT | 65
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