Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12
DISKUSSION Die Fanconi-Anämie betrifft weniger als 1 von 300.000 Neugeborenen und stellt somit eine seltene genetische Erkrankung dar. Sie beruht auf einer Mutation in einem von derzeit 22 be- schriebenen Fanconi-Anämie-Genen, die autosomal rezessiv vererbt wird oder – in sehr seltenen Fällen – spon- tan auftreten kann [Velleuer et al., 2020; Fiesco-Roa et al., 2019]. Die Folge ist eine in allen Zellen nach- weisbare erhöhte Chromosomen- instabilität. Als Erstbeschreiber gilt der Schweizer Pädiater Guido Fanconi, der 1927 das Auftreten kongenitaler Defekte und einer Panzytopenie an drei Brüdern im Alter von fünf bis sieben Jahren beobachtete [Auerbach, 2009]. Hauptsymptom der Fanconi-Anämie ist die bei allen Patienten beobach- tete fortschreitende Knochenmark- depression mit Panzytopenie bis hin zur Aplastischen Anämie, die sich meist ab dem siebten Lebensjahr in voller Ausprägung zeigt. Betroffene leiden somit unter allen damit ein- hergehenden Symptomen wie rezi- divierenden Infekten, erhöhter Blu- tungsneigung, Dyspnoe, verminder- ter Belastbarkeit sowie Entwicklungs- störungen. Etwa 70 Prozent der Pa- tienten weisen zusätzliche kongenita- le Fehlbildungen in unterschiedlicher Ausprägung auf. Beobachtet wurden vor allem Radiusstrahldysplasien, Hüftdysplasien, Skoliosen, hypoplas- tische oder aplastische Daumen, Mikrozephalie, Minderwuchs, Fehl- bildungen innerer Organe und Azoo- spermie. Zudem haben Patienten häufig Pigmentstörungen in Form von Café-au-Lait-Flecken [Gillio et al., 1997; Auerbach, 2009]. Besonders gefährdet sind die betroffe- nen Patienten durch ein bereits in jungem Alter bestehendes, deutlich erhöhtes Krebsrisiko [Alter, 2003; Rosenberg et al., 2003; Niraj et al., 2019]. Etwa 60 Prozent erkranken da- bei an einer Leukämie (insbesondere Akute myeloische Leukämie, Akute lymphatische Leukämie), an einem Myelodysplastischen Syndrom oder an soliden Tumoren, allen voran oralen Plattenepithelkarzinomen. Letztere äußern sich dann in einem besonders aggressiven Wachstums- verhalten mit erhöhten Rezidivraten und insgesamt schlechter Prognose [Kutler et al., 2016]. Die am häufigs- ten betroffene und in der Literatur beschriebene intraorale Lokalisation ist hierbei die Zunge [Millen et al., SAMEENA SANDHU Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsklinikum Heidelberg Im Neuenheimer Feld 400, 69120 Heidelberg sameena.sandhu@med.uni-heidelberg.de Foto: MKG UK Heidelberg Abb. 2: Café-au-lait-Flecken zm 111, Nr. 12, 16.6.2021, (1163) ZAHNMEDIZIN | 69
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