Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12

den [Wong et al., 2013; Kutler et al., 2016]. Diese hat auch deshalb einen hohen Stellenwert, da für betroffene Patienten aufgrund der vorliegenden multiplen genetischen Veränderun- gen eine interindividuell unterschied- lich ausgeprägte, im Allgemeinen verminderte Toleranz für adjuvante Therapien beschrieben wurde [Wong et al., 2013]. Die für eine Radiotherapie beobach- teten Nebenwirkungen reichten – je nach angewandter Strahlendosis und individueller Strahlensensibilität – von Mukositis und Dysphagie bis hin zu ausgeprägter Zytopenie und Sepsis oder anderen beeinträchtigenden Nebenwirkungen, die nicht selten zu einem vorzeitigen Abbruch der Strahlentherapie führten [Alter, 2002; Birkeland et al., 2011; Kutler et al., 2016]. Mitunter letale Nebenwirkun- gen wurden auch für die Anwendung unterschiedlicher Chemotherapeutika berichtet, so zum Beispiel eine Myelo- depression unter Cisplatin [Birkeland et al., 2011; Wong et al., 2013; Kutler et al., 2016]. Sollte die Anwendung (neo-)adjuvanter Therapieverfahren im Fall eines fortgeschrittenen Sta- diums indiziert sein, ist dies nur nach genauer Abwägung aller Risiken und unter Einbeziehung aller beteiligten Fachdisziplinen in Erwägung zu ziehen. Die größte Bedeutung kommt auch postoperativ den engmaschigen Ver- laufskontrollen zu. Die Intervalle sind hierbei enger als im Normalfall zu halten, da bei Patienten mit einer Fanconi-Anämie von wesentlich früher auftretenden lokoregionären Rezidiven berichtet wurde. Häufig wurden Intervalle von vier bis acht Wochen diskutiert [Furquim et al., 2018]. Da es derzeit keine allgemeingültigen Richtlinien für die Therapie von Plat- tenepithelkarzinomen bei Fanconi- Anämie-Patienten gibt, sollte eine sinnvolle Abwägung für jeden einzel- nen Patienten unter Berücksichti- gung des Alters, des Tumorstadiums sowie des Ausprägungsgrades der ge- netischen Mutation und der damit einhergehenden Gesamtkonstellation des Patienten getroffen werden. Einigkeit besteht jedoch darüber, dass alle Patienten von engmaschigen klinischen Verlaufskontrollen und einer frühzeitigen operativen Heran- gehensweise profitieren. Diese sollte sich dabei auf das notwendige Maß begrenzen, um die Operationsdauer, die Morbidität und somit die peri- operativen Risiken weitestgehend zu reduzieren. Im hier beschriebenen Fall wurde daher bewusst auf eine primäre knöcherne Rekonstruktion verzichtet. \ FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Bei jungen Patienten mit suspekten Schleimhautbefunden ohne Vorliegen typischer Risikofaktoren können auch seltene Ursachen – wie eine Fanconi-Anämie – vorliegen. Sollte diese Diagnose aufgrund der ausgeprägten phänotypischen Heterogenität noch nicht im Raum stehen, ist eine dahingehende genetische Abklärung zu empfehlen. \ Aufgrund des aggressiven Wachs- tumsverhaltens sind eine zeitnahe operative Therapie und sehr engmaschige Verlaufskontrollen angeraten. \ Die ausgeprägten perioperativen Risiken machen eine patienten- spezifische Therapie in einem interdisziplinären Setting notwendig. PD DR. DR. OLIVER RISTOW Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsklinikum Heidelberg Im Neuenheimer Feld 400, 69120 Heidelberg Foto: MKG UK Heidelberg zm 111, Nr. 12, 16.6.2021, (1165) Agil, schnittfreudig und hungrig. Proc odile. © 03/2020 · 10005748v.001 ZAHNMEDIZIN | 71

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