Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12
zm 111, Nr. 12, 16.6.2021, (1172) entnahme erfolgen, um initiale Infek- tionsparameter (zum Beispiel Leuko- zyten, CRP, Procalcitonin) zu erfas- sen, die neben der Klinik als Verlaufs- parameter des Therapieerfolgs dienen. Falls anhand von Anamnese und Klinik keine eindeutige Diagnose ge- stellt werden kann, sollte eine weiter- gehende Bildgebung erfolgen. Hierbei ist im Bereich der Kopf/Hals-Weich- teile die Ultraschalldiagnostik das erste Mittel der Wahl, da diese schnell und kostengünstig verfügbar und mit kei- ner Strahlenbelastung verbunden ist. Nachteil der Sonografie ist, dass diese untersucherabhängig ist und nur bei ausreichender Erfahrung valide Er- gebnisse liefert [Kotecha et al., 2008; Schön et al., 2002]. Bei unklaren so- nografischen Befunden sollte daher eine Schnittbildgebung durchgeführt werden, zur Weichteildiagnostik empfiehlt sich die MRT. Ein großer Vorteil der MRT liegt darin, die genaue Ausdehnung des Befunds in Bezug auf die Nachbarstrukturen dar- zustellen – auch im Hinblick auf eine mögliche spätere chirurgische Inter- vention. Eventuell können in der MRT auch Rückschlüsse auf das ein- gebrachte Material gezogen werden [Mundada et al., 2017]. Bei Infektionen beziehungsweise im Fall eines Abszesses sollte Material zur mikrobiologischen Diagnostik gewon- nen werden. Falls eine antibiotische Therapie notwendig wird, kann nach einer anfangs breit aufgestellten kalkulierten Antibiose nach Erreger- identifikation und Antibiogramm auf eine gezielte Antibiose umgestellt werden. Ausgeprägte Befunde, ein re- duzierter Allgemeinzustand mit Fie- Eine 61-jährige Patientin in leicht reduziertem Allgemeinzustand stellte sich aufgrund einer seit drei Wochen bestehenden, indurierten Schwellung der rechten Wange in der mund-, kiefer- und gesichts- chirurgischen Ambulanz vor. Im Bereich der rechten Nasolabialfalte war alio loco bereits zweimalig ein Abszess vorinzidiert worden, bei der Aufnahme in der Klinik trat an dieser Stelle massiv Pus aus. Acht Jahre zuvor war dort ein unbe- kannter Filler zur Weichgewebs- augmentation injiziert worden. Weiterhin waren beidseitig Face- lifts, Blepharoplastiken und Eigen- fettbehandlungen im Wangen- bereich durchgeführt worden. Bis auf Allergien gegen Penicillin und Paracetamol bestanden bei der Patientin keine Vorerkrankungen. Die weitergehende extraorale und intraorale Inspektion erbrachte keinen pathologischen Befund, der Laborbefund war bis auf dis- kret erhöhte Entzündungswerte unauffällig. Nach ausführlicher Aufklärung über den Befund und das geplante Vorgehen wurde eine erneute, aus- gedehntere Eröffnung des Abszesses von extraoral in Lokalanästhesie durchgeführt. Hierbei konnte wie- derum massiv Eiter entlastet wer- den. Zusätzlich wurden mikro- biologische Abstriche entnommen und mehrere schleimige, bräun- liche Gewebeproben aus dem Subkutangewebe entfernt und zur histopathologischen Untersuchung eingesandt. Nach ausgiebiger Wundspülung wurde eine tempo- räre Drainage eingelegt und die Patientin in den darauffolgenden Tagen zur Kontrolle und Spül- therapie wiedereinbestellt. Nach einer Woche zeigte sich der Befund zunächst deutlich regres- siv, jedoch nahm die Schwellung nach einer weiteren Woche wieder zu und es kam zu erneutem Eiter- austritt aus der Inzisionswunde. In der mikrobiologischen Diagnostik wurden spärlich Staphylokokken und Streptokokken nachgewiesen, woraufhin wegen der Penicillin- Allergie eine orale Antibiotika- therapie mit Clindamycin 600 mg dreimal täglich begonnen wurde. Zusätzlich wurde aufgrund der Langwierigkeit des Geschehens eine Magnetresonanztomografie (MRT) angefertigt, um eine detaillierte Be- urteilung der Weichteile zu ermög- lichen. Hierbei kamen mehrere ab- gekapselte Areale (im Maximum 1,5 cm x 1 cm) zur Darstellung, die prinzipiell mit eingebrachten Fremdkörpern (Filler) beziehungs- weise mit Abszessformationen zu vereinbaren waren. Darüber hinaus waren eine diffuse entzündliche Veränderung der rechtsseitigen Wangenweichteile und vergrößer- te, am ehesten reaktiv veränderte, zervikale Lymphknoten auffällig. Die histopathologische Untersuchung der Gewebeproben erbrachte den Nachweis einer granulierenden, floriden, teils granulomatösen Ent- zündungsreaktion aufgrund eines superinfizierten Fremdmaterials. Hinweise auf eine Pilzinfektion ergaben sich nicht, ein malignes Geschehen konnte ausgeschlossen werden. Über mehrere Wochen war der Befund langsam rückläufig. Es ist davon auszugehen, dass es sich bei dem Weichgewebsaugmentat um einen permanenten Filler han- delte, da dieser nach Jahren noch nachweisbar war. Falls durch die langwierige Spül- und Drainage- therapie in Verbindung mit der antibiotischen Behandlung keine Besserung eingetreten wäre, wäre die radikale Entfernung der ver- bliebenen Fremdkörperanteile mit dem umliegenden Granulations- gewebe die letzte Option gewesen. Hierbei besteht jedoch die Gefahr einer verstärkten Narbenbildung beziehungsweise des postoperativen Auftretens eines Weichgewebs- defekts mit folgender Asymmetrie des Gesichts. PATIENTENFALL PD DR. MED. DR. MED. DENT. OLIVER THIELE, M.SC ., FEBOMFS Praxis Villa Linhoff Ostendorfallee 5, 59555 Lippstadt Foto: privat 78 | ZAHNMEDIZIN
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