Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12

zm 111, Nr. 12, 16.6.2021, (1174) DENTAL-EMERGENCY-TEAM Die vergessenen Flüchtlinge von Chios Alexander Schafigh, Armin Reinartz Die Insel Lesbos steht paradigmatisch für alle Versäumnisse und das Elend der Flüchtlingskrise. Dass es auf den anderen griechischen Inseln nicht anders aussieht, weiß fast keiner. Entsprechend unterrepräsentiert ist auch die zahnmedizinische Versorgung im Lager Vial auf Chios. Um mehr zu erreichen, unterstützen sich die NGOs hier gegenseitig. Die Hilfe für die zum Teil schwer traumatisierten Menschen läuft an. Zahnmedizin war bisher nicht vorgesehen. C hios ist mit etwa 51.000 Ein- wohnern die fünftgrößte Insel Griechenlands. Durch die un- mittelbare Nähe zur Türkei – die Stadt Cesme liegt nur sieben Kilometer ent- fernt – kommen hier seit 2015 kon- tinuierlich Geflüchtete an. Unterge- kommen sind die Menschen in einer alten Aluminium-Fabrik, etwa neun Kilometer entfernt von der Insel- hauptstadt Chios im Landesinneren, fernab jeglicher Infrastruktur. Während sich die Aufmerksamkeit der Welt vor allem auf die Insel Lesbos richtet, verschwinden die Menschen hier nahezu vom Radar, obwohl sie unter den gleichen unwürdigen Be- dingungen leben. Wer eine Präsenz von Hilfsorganisationen, freiwilligen Unterstützern und Journalisten er- wartet, irrt: Die Gruppe der Helfer hier ist sehr überschaubar. Personen, die hier länger im Einsatz sind, berichten, dass einige große Hilfs- organisationen kurz auf der Insel auftauchten, darüber medienwirksam berichten ließen – und dann wieder verschwanden. Mit Chios lasse sich kein Geld machen, Lesbos sei besser fürs „Charity-Image“, erzählte man uns, als wir ankamen. Als wäre Les- bos der symbolische Ort der Flücht- lingskrise Europas, während andere Inselküsten wissentlich übersehen werden. AN DEN SCHLIMMSTEN TAGEN KAMEN FAST 45 BOOTE An den schlimmsten Tagen sind hier fast 45 Boote mit jeweils bis zu 50 Menschen an Bord an den Stränden angekommen. Momentan sind es weniger, da die griechische Küsten- wache die vorherrschende Pandemie als Grund nutzt, alle ankommenden Boote durch Push-Backs in die Türkei zurückzudrängen. Auf der Insel leben aktuell circa 1.800 geflüchtete Men- schen, vornehmlich aus Afghanistan, Syrien und Afrika. Zu Spitzenzeiten waren es bis zu 10.000. Die Menschen leben in Containern und einfachen selbst gezimmerten Behausungen rund um die ehemalige Produktionshalle, in der sich die Lageradministration, DENTAL EMERGENCY TEAM E. V. Aus „Health-Point-Foundation Support Germany e. V.“ wurde „Dental Emergency Team e. V.“ Nach dem Rückzug der Haupt- organisation Health-Point-Foundation aus Griechenland wurde der Name geändert, um Missverständnisse zu vermeiden. Der Verein ist als gemein- nützig anerkannt, so dass Zuwendun- gen steuerlich begünstigt sind. Für Interessierte besteht die Möglichkeit einer Fördermitgliedschaft, um den Verein kontinuierlich zu unterstützen. Ankunft der Helfer und Sichtung der mitgebrachten Materialien und Instrumente In diesem Container findet die zahnmedizinische Versorgung statt – ab nachmittags, vorher wird der Container von den Aslybehörden mitbenutzt. Zwei Dentaleinheiten stehen für die dringenden Zahnbehandlungen bereit.

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