Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 13

zm 111, Nr. 13, 1.7.2021, (1237) Im Bereich der Medizin existiert bei- spielsweise SNOMED (Systematized Nomenclature of Medicine Clinical Terms) als ein solcher Code. Dabei handelt es sich um eine Nomenklatur (Terminologie). Die Basis stellen soge- nannte Konzepte dar. Diese können als medizinische Bedeutungseinheiten bezeichnet werden. Die den Bedeu- tungseinheiten zugeordneten Begriffe sind eindeutig in einen jeweils spezi- fischen Zahlencode übersetzt und in Hierarchien angeordnet. Zudem sind die Konzepte logisch verknüpft. Auch diese Verknüpfungen sind über Rela- tionscodes numerisch beschrieben. Ein ähnliches Schema wäre für die Zahnmedizin vorstellbar und soll an folgendem Beispiel entwickelt werden: Der 3-D-Scan könnte eine Bedeutungs- einheit darstellen. Damit lassen sich mithilfe der Scannersoftware auto- matisiert Oberflächenveränderungen wie <Gingivarezessionen>, <Schliff- facetten>, <zervikale Defekte>, <Den- tinverschleiß>, <altersuntypische Ver- schleißareale>, <Verdacht auf Appro- ximalkaries>, <Verdacht auf Fissuren- karies>, <ungewöhnliche farbliche Mundschleimhautveränderungen> dokumentieren und analysieren. Sämt- liche Begriffe sind in einen spezifischen Zahlencode übersetzt. Die Medikamentenanamnese, die allgemeinmedizinische Allgemein- anamnese, die spezielle Anamnese und der Mundschleimhautbefund stellen einige weitere Bedeutungseinheiten dar, die ebenfalls wieder mit hierar- chisch angeordneten Begriffen „be- füllt“ sind. Ein Beispiel für einen hierarchischen Verzeichnisbaum der Medikamentenanamnese könnte sein: 1. Ebene: <Blutdrucksenker> 2. Ebene: <Diuretika>, <Betablocker>, <Kalziumantagonisten>, <ACE Hemmer>, <AT1-Antagonisten> 3. Ebene: entsprechende Medikamente Durch logische Verknüpfung der Be- deutungseinheiten und der Begriffe ist dann eine diagnostische Hilfestellung möglich wie zum Beispiel: Im 3-D- Scan werden von der Scannersoftware altersuntypische Verschleißfacetten detektiert, in der Medikamenten- anamnese ist ein Serotoninwieder- aufnahmehemmer (zum Beispiel Fluoxetin) hinterlegt. Richtigerweise ist bei der Allgemeinanamnese eine Angststörung des Patienten doku- mentiert. Durch logische Verknüpfung weist die Dokumentationssoftware darauf hin, dass die Diagnose <Medi- kamenten-induzierter Bruxismus> ge- stellt werden könnte (Abbildung 7). Als weiterführende Diagnostik wird beispielsweise der digitalisierte Bruxis- mus-Screening-Bogen der Deutschen Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und -therapie (DGFDT) vorgeschlagen, der nun vom Patienten nach ent- sprechend empathischer Aufklärung direkt auf einem Tablet beantwortet werden kann. DER DIGITALE EINZELDATENSATZ UND DAS GROßE GANZE Das im vorhergehenden Abschnitt geschilderte kausale Szenario kann durchaus auch ohne Computerunter- stützung vom aufmerksamen Zahn- arzt „erdacht“ werden. Durch Ver- netzung unserer zahnmedizinischen Konzepte mit denen der Allgemein- medizin ergibt sich die Chance, dass wir als Zahnärzte auch weit über die Zahnmedizin hinausgehende Ver- knüpfungen und diagnostische Hin- weise ermitteln könnten. Diese Ver- linkung mit allgemeinmedizinischen Daten stellt die fünfte Dimension dar. Dafür sind zwei Dinge essenziell: Die Vernetzung der allgemeinmedizi- nischen elektronischen Patientenakte mit zahnmedizinischen Befunden muss über eine einheitliche Schnitt- stelle gewährleistet sein. Kausale Ver- knüpfungen und daraus resultierende Diagnosehilfestellungen sind nur möglich, wenn über entsprechende Auswertungsstrategien wie neuronale Netze das Analysieren riesiger Daten- mengen anonymisierter Patienten- fälle ermöglicht wird. Dabei gilt aber die Prämisse, dass sämtliche Diagnosehilfesysteme nur eine Unterstützung für die genuin zahnärztliche Tätigkeit am individu- ellen Patientenfall darstellen können. Auch moderne Technologien sind kein Selbstzweck oder gar eine künst- liche Intelligenz, an die die ärztliche Verantwortung delegierbar wäre – sie sind nicht selbst Lösung, sondern bleiben ein Hilfsmittel in der Hand des Zahnarztes. \ Abb. 7: Verknüpfung des Intraoralscans mit weiteren Datenressourcen: Findet der Intraoralscan altersuntypische Verschleißareale, kann ein integriertes System unter Einbezug von Daten aus der elektronischen Patientenakte eine Diagnose erstellen und dem Behandler vorschlagen. CHRISTINA KÜHNE Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Biomaterialien, Zentrum für Implantologie, Uniklinik Aachen Foto: privat Alle Fotos: Kühne, Reich ZAHNMEDIZIN | 35

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