Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 14

zm 111, Nr. 14, 16.7.2021, (1347) zu den Nachbarzähnen mittels eines weiteren intraoralen Scans erfasst. Eine dentale CAD-Software (zum Beispiel Cerec; exocad; 3shape) ermöglicht auf dieser Datenbasis die zeiteffiziente Chair- side-Fertigung eines individuellen Abutments samt temporärer Krone ohne funktionelle Okklusion, die am gleichen Tag zum Einsetzen zur Verfügung stehen kann. Die Kombination Abutment und Krone weist dabei eine Anatomie auf, die die Zahnwurzel apikal der Schmelz-Zement-Grenze ausreichend gut imitiert, um die Forderung eines primären Wund- verschlusses erfüllen zu können. \ Im Fall einer schablonengeführten Implantatinsertion (Abbildungen 15a und 15b) ist die dreidimensio- nale Position des Implantats in Relation zu den Nachbarzähnen bereits vor Implantation bekannt. Diese Position kann in die Scan- daten des therapierten Kiefers exakt übertragen werden. Damit können mit der identischen CAD-Software bereits vor der Zahnextraktion ein patienten- individuelles Abutment und eine temporäre Krone konstruiert und bereits vorab produziert werden. Der Behandlungsablauf beschleu- nigt sich erheblich, weil nach der Implantatinsertion die bereits gefertigten prothetischen Kompo- nenten Abutment und temporäre Krone vorliegen (Abbildungen 16a und 16b). Aufgrund der nicht exakt möglichen Übertragung der geplanten Implantatposition in den Kieferknochen sind kleine Korrekturen der Approximal- kontakte der Krone unvermeidlich – dank der beabsichtigten Infra- okklusion ist okklusal meist keine Adaptation erforderlich. Abbildung 17 zeigt das eingesetzte Provisorium unmittelbar nach der OP. Nach Einheilung erfolgt die definitive Versorgung des Implantats sowie des Nachbarzahns. Beide digitalen Workflows generieren eine stetig zunehmende Anwendung des minimalinvasiven Therapie- konzepts der Sofortimplantation und -versorgung. Rückenwind bekommt das Konzept durch wissenschaftliche Studien, die zeigen konnten, dass durch akut parodontal erkrankte Zähne infizierte Extraktionsalveolen keinen Einfluss auf die Erfolgs- wahrscheinlichkeit und das klinische Ergebnis von Sofortimplantaten und -versorgungen im Vergleich zu nicht infizierten Extraktions- oder Trauma- Wunden haben [Chen et al., 2018] – damit kann das Indikationsfeld für die Sofortimplantation und -versor- gung ausgeweitet werden. 4. FAZIT Mit dem Einsatz digitaler Techno- logien, neuer Materialien und inno- vativer Fertigungstechnologien ent- wickeln sich Behandlungskonzepte in der prothetisch-rekonstruktiven Zahnmedizin stetig weiter. Hierbei stehen neben einer erhöhten Effizienz in der Fertigung und im Vorgehen auch eine erhöhte Vorhersagbarkeit prothetischer Therapien im Fokus. Somit können heute auf digitalen Technologien basierende Behand- lungskonzepte bei vielen der darge- stellten Indikationen, beispielsweise implantatgetragener Einzelzahn- ersatz, bereits gewinnbringend für alle Beteiligten eingesetzt werden und weisen gegenüber der analogen Vorgehensweise klare Vorteile auf. Somit sollten Praktiker – unabhängig von der Praxisgröße – prüfen, welche und wie viele Fälle in ihrer Praxis be- reits heute digital oder sogar chairside zu lösen wären, um eine fundierte Investitionsentscheidung zu treffen. Trotz allem sind technologische In- novationen und materialtechnische Neuentwicklungen kurzen Innova- tionsintervallen unterzogen, was die wissenschaftliche Einordnung und Langzeitbewertung erschwert. Dass heißt für den Zahnarzt: zunächst analysieren, dann investieren. Neben aller verständlichen Euphorie sollten die gezeigten Innovationen somit auch kritisch hinterfragt werden und wissenschaftlich abgesichert sein, um das Optimum für unsere Patienten zu erzielen. \ ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion ange- fordert werden. Abb. 16a und 16b: Montage des vorab gefertigten patientenindividuellen Abutments mit 3-D-gedrucktem Übertragungsschlüssel Quelle: Paul Weigl Abb. 17: Vorab gefertigtes Provisorium in Infraokklusion Quelle: Paul Weigl a b ZAHNMEDIZIN | 49

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