Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 14
zm 111, Nr. 14, 16.7.2021, (1360) Erfassung der in der Lebenswirklich- keit der Menschen vorhandenen Risikofaktoren, wie soziale oder öko- nomische Aspekte. Diese dürften die Zahnmedizin ebenso betreffen – und die Nutzung solcher Daten könnte demnach auch zahnmedizinische Vorhersagemodelle voranbringen. Bevor allerdings dieses Potenzial ent- fesselt werden kann, sind zahlreiche Hürden (unter anderem zur sicheren Datenübermittlung, -speicherung und -verarbeitung) zu überwinden. Mo- mentan ist eine „P4-Zahnmedizin“ noch Verheißung, nicht Realität. COMPUTER KÖNNEN (BE)HANDELN Wie bereits skizziert, sind diverse KI-Anwendungen schon heute im digitalen Workflow unverzichtbar. So ist die automatische Detektion von Präparationsgrenzen oder die Com- puter-assistierte Modellierung und Simulation okklusaler Flächen und Beziehungen nicht ohne Computer- sehen und Computersimulation mög- lich. Auch die Vorhersage und Pla- nung digitaler kieferorthopädischer Behandlungsketten kann auf KI nicht verzichten. In ersten experimentellen Ansätzen werden auch in der Zahn- medizin bereits heute KI-gesteuerte Roboter eingesetzt, beispielsweise zur vollständig autonomen Insertion von Dentalimplantaten. Generell ist die KI-gestützte Robotik in der Chirurgie relativ weit verbrei- tet. Einschränkend muss allerdings gesagt werden, dass die in der zahn- medizinischen Praxis häufigsten Be- handlungen – wie das Legen von Fül- lungen, das Präparieren von Kronen, parodontale Behandlungen oder die Zahnextraktion – nur schwerlich auf einen Roboter zu übertragen sind; höchst individuell ist doch die Aus- gangslage, divers das zu berücksichti- gende Datenmaterial und sehr unter- schiedlich die angestrebten Behand- lungsergebnisse. Auch die Wirtschaftlichkeit ist ein zentraler Faktor, der einer größeren Verbreitung von Robotern in der Zahnarztpraxis im Weg steht: Ebenso wie die seit zwei Jahrzehnten pro- minent beforschten Omics-Techno- logien werden auch KI-betriebene Roboter allein aus preislichen Grün- den nicht zeitnah zur Routine in der Praxis werden, zu hoch sind die Kos- ten verglichen mit dem heutigen Standard. Bei hochkomplexen und bereits heute teuren Eingriffen wie beispielsweise in der onkologischen Chirurgie, der Rehabilitation von Syndromen oder der Therapie großer Traumata ist der Einsatz von Opera- tionsrobotern als ein Glied der digi- talen Behandlungskette jedoch sinn- voll und auch preislich abzubilden. TELEZAHNMEDIZIN Die Corona-Pandemie hat in diversen medizinischen Feldern zu großer Dynamik geführt – auch jenseits der offensichtlichen Prominenz der Viro- logie. Hunderttausende Ärztinnen und Ärzte bieten heute wie selbst- Quelle: Schwendicke, Krois Abb. 4: Kariesdetektion mit künstlicher Intelligenz: Die KI erkennt Zähne, Restaurationen (in Blau), frühe und voran- geschrittene kariöse Läsionen (in Rot). Quelle: Schwendicke, Krois Abb. 5: Die Integration von Daten könnte helfen, das Zeitalter der „Einheitsmedizin“ und der stratifizierten Medizin zu überwinden und eine personalisierte (P4-)Medizin ermöglichen. 62 | ZAHNMEDIZIN
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