Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15-16
zm 111, Nr. 15-16, 16.8.2021, (1436) Aber welche Lehren ziehen die Befragten daraus? „Das Ergebnis wird kein Gutes sein, wenn die europäi- schen Länder alle versuchen, die me- dizinischen Herausforderungen allein zu lösen. Hier muss mehr und weni- ger bürokratisch zusammengearbeitet werden.“ Es sei an einigen Stellen sichtbar geworden, dass man das Gesundheitswesen zu stark institutio- nalisiert und seit 2010 Investitionen vernachlässigt habe. Insgesamt sei kritisch zu hinterfragen, ob im deutschen Gesundheitssystem nicht der Profit einen zu hohen Stel- lenwert einnehme: „Manchmal wird im deutschen Gesundheitssystem zu viel gemacht.“ Um Krisen effektiv zu begegnen, seien auch eine schnelle Reaktion und klare Prioritätensetzung nötig: „Die Prinzipien der Selbst- bestimmung, der Freiheit, des Indivi- dualismus und des Föderalismus füh- ren in der Krise zu Widersprüchen und machen die Krisenbewältigung schwieriger und langwierig.“ UND WIESO GLAUBEN WIR AN VERSCHWÖRUNGSTHEORIEN? Verwunderung löste aus, dass sich Verschwörungstheorien verbreiteten und die Nachverfolgung des Virus mittels digitaler Lösungen teils abge- lehnt wurde. „In Deutschland steht das Wohlergehen des Individuums an erster Stelle, bei uns ist es das Wohl- ergehen der Gemeinschaft und die öffentliche Gesundheit.“ Und: „In Deutschland lebt ihr in einer Utopie. Wenn ein Virus wie Corona zu- schlägt, habt ihr staatliche Unterstüt- zung, ihr habt Zugang zu Impfstof- fen. In Afrika ist dies nicht so.“ WIR SIND VIELLEICHT AUCH EINFACH ZU VERWÖHNT Insgesamt seien die Deutschen aber zu kritisch bezüglich der Lage in der Corona-Krise: „Sie vergessen hier- über, wie gut die Situation im Allge- meinen ist. Sie sind vielleicht ein bisschen verwöhnt und blind gegen- über den eigenen Errungenschaften. Dinge wie die persönliche Freiheit, das Demonstrationsrecht und die Meinungsfreiheit werden nicht geschätzt, sondern als selbstverständ- lich wahrgenommen.“ ak WOFÜR MAN UNS ACHTET Fleißig. Effizient. Zuverlässig. Das deutsche politische System wird als stabile Demokratie mit rechtsstaatlichen Prinzipien wahrgenommen. Auch wird Deutschland als führende Wirtschaftsmacht in EU betrachtet. Nach wie vor steht das Gütesiegel „Made in Germany“ für höchste Qualität. Aufgrund der flächendeckenden Krankenversicherung und den hohen Versorgungsstandards wird das Gesundheitssystem wird als stark bewertet. Ihre Lehren aus der Vergangenheit hätten Politik und Gesellschaft gezogen. Mit der Aufnahme der Geflüchteten in Jahren 2015 und 2016 habe Deutschland menschlich gehandelt und globale Verantwortung getragen. Respekt wird uns auch für die Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus gezollt. WORÜBER MAN DEN KOPF SCHÜTTELT Unflexibel. Kritisch. Zögerlich. Deutsche seien häufig übervorsichtig und überkritisch, eben starr – mit höchsten Standards. Deutschland müsse seine digitale Infrastruktur ausbauen und die Rah- menbedingungen für unternehmerische Innovationen verbessern. Umweltschutz sei ein großes Thema in Gesprächen, stehe aber bei Unternehmen wenig im Fokus. Die beobachtete Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit wird verstärkt durch die jüngsten Skandale in Politik und Wirtschaft. Auch wurde festgestellt, dass sich Deutschland nicht ausreichend mit seiner Kolonialgeschichte auseinandersetze. Akademische Hürden und ausgeprägte Hierarchien im Hochschulsystem werden als effektive Schwächen wahrgenommen. WOVOR MAN UNS WARNT Verschlossen. Dominant. Selbstgefällig. Vor allem zunehmende populistische und extremistische Tendenzen in Deutschland werden im Ausland thematisiert. In den letzten Jahren sei den Befragten während ih- rer Aufhalte in Deutschland weniger Toleranz und Freundlichkeit entgegengebracht worden. Sie haben verstärkt das Gefühl, nicht willkommen zu sein. Für Deutschland sei die eigene Identitätsfindung schwierig. International müsse sich das Land stark engagieren, aber dürfe sich nicht zu dominant präsentieren. WAS MAN UNS ZUTRAUT Lösungsorientiert. Vertrauenswürdig. Verantwortungsbewusst. Deutschland wird eine hohe Glaubwürdigkeit attestiert und die Fähigkeit, internatio- nale Verantwortung zu tragen. Allerdings müsse Deutschland deutlicher Position beziehen. Die starke Einbettung in die EU wird auch so verstanden, dass wir uns gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten für ein starkes Europa einsetzen. WAS MAN SICH ERHOFFT Offen. Partnerschaftlich. Zukunftsorientiert. Migration sei heute und zukünftig eine Realität. Der Wunsch nach einem offenen Deutschland, das diese Vielfalt umarme, ist weltweit groß. Man erhofft sich ein offe- nes Land und offene Herzen. Für gemeinsame Projekte sei Deutschland ein beliebter Partner. Beim Umweltschutz, Klimawandel und Nachhaltigkeit wird von uns eine Vorreiterrolle erwartet. 34 | GESELLSCHAFT
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