Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15-16
Eckzahnregion. Drei Unterstüt- zungsimplantate würden dann in je- dem Fall eine ausreichende Stabilität der Prothese sicherstellen. GERECHTIGKEIT Dieser Aspekt spielt hier nur eine untergeordnete Rolle, da es sich bei dieser Versorgung um eine Privat- leistung handelt und damit das Soli- darsystem der Krankenkassen nicht belastet wird. Indirekt könnte diese Versorgung sogar zu einer Entlas- tung des Solidarsystems führen, da idealerweise Neuversorgungen mit Totalprothesen oder ständige Unter- fütterungen nicht mehr so häufig notwendig sein dürften. Ob durch eine bessere Kaufunktion und damit eine bessere und reichhaltigere Ernährung allgemeinmedizinische Probleme bei dem Patienten in der Zukunft vermieden werden kön- nen, bleibt allerdings Spekulation. Aber was kann beziehungsweise soll S. antworten? Was schuldet er dem Patienten, was seinem Vorgesetzten? Da S. von seinem Vorgesetzten H. persönlich aufgefordert wurde, sich um seine Patienten mit zu küm- mern und dieser Auftrag bezüglich W. auch nicht zurückgenommen wurde, sollte S. das vom Patienten gewünschte Telefongespräch auch in jedem Fall führen. Dies gilt besonders auch deshalb, weil der Patient mit dem Anruf letztendlich seine persönliche Arztwahl zum Ausdruck bringt, die ihm ja als Pa- tient ohne Frage zusteht. Dieses S. entgegengebrachte Vertrauen sollte in keinem Fall enttäuscht werden. Im Telefonat sollten die unterschied- lichen Versorgungsformen – von kei- nem bis hin zu vier Implantaten – erneut sorgfältig gegeneinander ab- gewogen werden, ohne dabei die beiden unterschiedlichen Stand- punkte der Ärzte und die emotionale Komponente von H. zu thematisie- ren. Die beiden letztgenannten Punkte sind für einen guten kolle- gialen Umgang zwischen den beiden Ärzten eine absolute Selbstverständ- lichkeit und dienen auch einer gu- ten Außenwirkung der Praxis selbst. Egal für welche Option sich W. nach dieser neutralen und umfäng- lichen Aufklärung entscheidet, soll- te S. die weiteren Maßnahmen offenlassen. Er sollte dem Patienten allerdings anbieten, die neue Faktenlage zwischen den beiden Ärzten zu besprechen und an- schließend ein gemeinsames Gespräch zwischen dem Patienten und beiden Ärzten zu vereinbaren. Sofern W. in diesen Vorschlag einwil- ligen sollte, würde S. im nächsten Schritt ein kollegiales Gespräch mit H. suchen, um dort die aktuelle Sach- lage neutral darzulegen. Ein wichtiger Bestandteil sollte die Darlegung der aktuellen Studienlage zum mittigen Einzelzahnimplantat im zahnlosen Unterkiefer sein. Auf dieser Grundla- ge gibt es meines Erachtens zwei ziel- führende Optionen. Wenn die vorlie- gende Evidenz H. überzeugt, sprä- chen alle vier Prinzipien dafür, in die- sem Fall das mittige Einzelimplantat in der Praxis von H. durchzuführen. Die Übergabe des Patienten an S. könnte sich als sinnvoll erweisen, da der Patient offensichtlich zu ihm das größere Vertrauen hat. Wenn H. allerdings im Hinblick auf das Nichtschadensgebot die doch noch verhältnismäßig geringe Anzahl von Studien sehr stark gewichtet und in Bezug auf das Wohltunsgebot die Unsicherheit wegen des stark atrophierten Kie- ferkamms sehr hoch einstuft, wird er dieses Versorgungskonzept wei- terhin ablehnen. In diesem Fall wä- ren zwei Wege denkbar: Da S. sich in einigen Monaten in eigener Pra- xis selbstständig machen möchte, könnte er den Patienten im Einver- nehmen mit H. „mitnehmen“ und die Therapie dann dort selbst durchführen. Alternativ könnte man den Patienten an einen Kolle- gen überweisen, der vom mittigen Einzelzahnimplantat überzeugt ist und die Behandlung in dieser Praxis durchführt. \ Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen. zm 111, Nr. 15-16, 16.8.2021, (1441) ZAHNMEDIZIN | 39
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=