Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15-16

zm 111, Nr. 15-16, 16.8.2021, (1448) Wasser minütlich weiter steigt und der Strom weiter an Kraft gewinnt. „Gegen 22:20 Uhr war meine Praxis dann fast komplett überflutet”, weiß Jung, denn zu dieser Zeit bleibt die knapp unter der Decke montierte, batteriebetriebene Praxisuhr stehen. So rauscht das Wasser bei Einbruch der Dunkelheit fast 7 Meter über dem Straßenniveau, knapp unterhalb der Dachrinne des Hauses vorbei. Dann kommt die Nacht. „Das Schlimmste war nicht das Gurgeln und Gluckern der Flut in den Räumen unter uns“, schildert der Zahnarzt diesen Alb- traum, „sondern das dumpfe Grollen, wenn wieder ein Haus zusammengefal- len ist. Wir haben nur dagesessen und gebibbert, dass die Wände halten.” Gegen 2 Uhr meint Jung, einen Don- nerknall gehört zu haben, in dessen direktem Anschluss der Ahr-Pegel deutlich zu sinken beginnt. Am nächsten Tag bestätigt sich die Ver- mutung: „Das waren die beiden Ei- senbahnbrücken, die zusammenge- brochen sind.” STRAßEN SIND BLOCKIERT, TELEFONNETZE TOT Als es wieder hell wird und das Was- ser weiter zurückgeht, zeigt sich am nächsten Tag das ganze Ausmaß der Schäden: überall Treibgut und Schutt, umgeknickte Laternen, zer- TOTALSCHADEN – NACH 25 JAHREN Die Ahrbrücken waren bereits zerstört, als Dr. Klaus Styzinski den Anruf einer Nachbarin erhielt, dass seine Praxis unter Wasser steht. Genauer: unter Schlamm. Aber er sitzt auf der anderen Ahrseite fest. Am nächsten Tag schafft er es über den Fluss, der mit einem Pegelstand von fast neun Metern zwischen- zeitlich zum reißenden Strom wurde – und seine Praxis verwüstet hat. Wirtschaftlicher Totalschaden. So lautet Styzinskis Fazit nach der Praxisbege- hung. Die Kosten für den Wiederaufbau schätzt er auf rund 900.000 Euro, er verlor allein einen Lagerbestand von knapp 190.000 Euro. „Vieles davon wurde einfach weggespült“, sagt er. Im 25. Jahr lief seine Praxis mit drei Behandlungszimmern und eigenem Labor „richtig gut“ und war dank ständiger Modernisierungen auch bestens ausgestat- tet. Heute ziert stattdessen eine braune Wasserstandsmarke in knapp zwei Metern Höhe die vollkommen verwüsteten Räume. Möbel, Geräte und Boden sind zentimeterdick von einem mit Öl und Schwermetallen kontaminierten Schlamm bedeckt. Alles muss kernsaniert werden: Böden und Leitungen müssen raus, sofern öffent- lich bestellte Statiker dem Gebäude nicht noch eine Einsturzgefährdung attestie- ren. So lange erfolgen sukzessive Freigaben der Versicherung. Behandlungsein- heiten und OPG werden fachmännisch demontiert, alles andere wandert einfach auf die Straße zu dem Schutt der umliegenden, völlig zerstörten Geschäfte von Bad Neuenahr-Ahrweiler. Digitale Abrechnungen und Sicherungskopien auf Fest- platten müssen jetzt zur Rekonstruktion zum Spezialisten. Während die Arbeiten zum Wiederaufbau laufen, versorgt Styzinski im Schicht- betrieb seine Patienten in den Räumen des Kollegen Dr. Klaus Hehner, Obmann des Kreises Ahrweiler bei der Bezirkszahnärztekammer Koblenz. Seine Praxis blieb von größeren Schäden verschont, sie war durch das Hochwasser lediglich vorübergehend von der Strom- und Wasserversorgung abgeschnitten. Der QR-Code führt zu einem Video auf zm-online, in dem Dr. Klaus Styzinski seine zerstörte Praxis zeigt. Die Straße als Trümmerfeld: Als Werner Jung am nächsten Tag in der direkten Nach- barschaft seiner Praxis mehrere eingestürzte Häuser sieht, wird ihm bewusst, wie viel Glück er hatte, dass das Praxisgebäude Baujahr 1982 dem Wasser standhielt. Schmutzkante bei zwei Meter: Auch Dr. Klaus Styzinskis Praxis stand vollständig unter Wasser. Die Wucht der Fluten hat Möbel aus der Verankerung gerissen. 46 | PRAXIS

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