Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15-16

zm 111, Nr. 15-16, 16.8.2021, (1460) fall der Galea mit bitemporo-parieto- frontaler Ausbreitung (Abbildung 2). Die histopathologisch-mikrobiolo- gische Untersuchung bestätigte bei Vorliegen einer floriden phlegmonö- sen Entzündung und nekrotischem Gewebezerfall die Diagnose einer nekrotisierenden Fasziitis (Abbil- dung 3). Nach Anpassung der i. v. anti- biotischen Therapie, Rückgang der laborchemischen Entzündungspara- meter und CT-morphologischem Ausschluss einer Befundpersistenz konnte die Patientin nach zehn- tägigem stationärem Aufenthalt bei subjektivem Wohlbefinden zurück ins häusliche Umfeld entlassen wer- den. Im Rahmen der ambulanten Nachsorge war die Wundheilung unter oralisierter Antibiotikatherapie über 14 Tage regelrecht (Abbildung 4). DISKUSSION Die nekrotisierende Fasziitis ist ein schwerer Infektionsprozess, der durch schnelle Ausbreitung und weitgehende Gewebezerstörung ge- kennzeichnet ist. Beginnend als lokal begrenzte Weichgewebeinfek- tion ist sie über eine verbreitete Fasziennekrose lebensbedrohlich und erfordert nach einer schnellen Diagnosestellung aggressiv-chirur- gische Interventionen. Am häufigsten betroffen sind die unteren Extremitäten und das Ab- domen. Ein Auftreten im Kopf-Hals- Bereich ist mit einem Anteil von ein bis zehn Prozent aller Fälle eine extrem seltene Form [Gunaratne et al., 2018] und lässt sich dabei ent- sprechend der Lokalisation unter- teilen in Fälle der Skalp- und Peri- orbitalregion sowie solche von Ge- sicht und Hals [Green et al., 1996]. Letztere bilden den Großteil der be- schriebenen Fälle ab. In Fällen mit vornehmlicher Gesichts- und Hals- beteiligung gelten Infektionen von Gehörgang, Nasennebenhöhlen und dentale Abszesse als hauptursächlich [Kämmerer und Schürholz, 2017]. Manifestationen im Bereich der Kopfhaut werden hauptsächlich durch stumpfe oder penetrierende Traumata verursacht. In den indus- trialisierten Ländern liegt die Inzi- denz einer cervikofazialen nekro- tisierenden Fasziitis bei 0,05 bis 2,6 Prozent [Lee et al., 2020] und die Mortalität bei 12 bis 40 Prozent [Gunaratne et al., 2018]. Ursprung der Infektion ist meist ein Bagatelltrauma, das als Eintritts- pforte für Bakterien in den Haut- und Weichteilmantel fungiert. Mikrothromben lassen eine Nekrose und eine sich anschließende Inva- sion und Proliferation der patho- genen Keime entstehen [Hauser et al., 2016]. Das klinische Bild ist gekennzeichnet durch eine initiale Rötung und ödematöse Schwellung der Haut, die häufig begleitet wird durch grippeähnliche Allgemein- symptome mit Fieber. Besonders im Initialstadium ist die Erkrankung von anderen Weichteilinfektionen differenzialdiagnostisch nur schwer abgrenzbar. Dabei zeigen der Gas- brand und das Erysipel ähnliche Symptome, bei jedoch insgesamt moderateren Schmerzen und allge- mein milder ausgeprägten Allge- meinsymptomen. Daher verwundert es nicht, dass die nekrotisierende Fasziitis im Anfangsstadium häufig fehldiagnostiziert wird [Bloching et al., 2000; Hauser et al., 2016]. Erschwerend bei der Diagnose- findung kommt hinzu, dass die sichtbare Hautnekrose erst im fort- geschrittenen Krankheitsverlauf auf- tritt [Lee et al., 2020] und eine – wenn auch unzureichende – bereits initiierte Antibiotikatherapie die eigentliche Erkrankungsschwere zu- sätzlich maskieren kann [Wong et al., 2003]. Im Anschluss verdunkelt sich die Haut und es bilden sich Blasen und Bullae [Williams et al., 1992]. In dieser Zeit kommt es durch eine Verflüssigungsnekrose zur Ansamm- lung von Pus [Lin et al., 2001]. Ein Abb. 3: Histologisches Bild der floriden phlegmonösen Entzündung und von nekrotischem Gewebezerfall DR. DR. DANIEL G. E. THIEM Weiterbildungsassistent Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Foto: privat 58 | ZAHNMEDIZIN

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