Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15-16

zm 111, Nr. 15-16, 16.8.2021, (1468) AUGMENTATION MIT DENTINSPÄNEN Sofortimplantation mit autologem Dentin Michael Korsch, Abdel-Karim Mamar Autologes Material ist in der oralen Implantologie nach wie vor der Goldstandard. Eine mögliche Alternative ist die Verwendung von autologem Dentin nicht erhaltungsfähiger Zähne. Autologes Dentin enthält wachstumsstimulierende Faktoren und hat in Studien bereits seine Fähigkeit zur Knochenneubildung gezeigt. Der Beitrag skizziert die Evidenz zu diesem Verfahren und zeigt einen Patientenfall. D ie Idee, Zähne unmittelbar nach dem Extrahieren durch ein Implantat zu ersetzen, ist bereits sehr alt. Erste dentale Sofort- implantationen mit Zähnen aus Elfenbein, Quarz und Holz wurden im alten Ägypten vor 4.000 bis 5.000 Jahren durchgeführt. In prä- kolumbianischer Zeit wurden Zäh- ne erfolgreich durch Muschelscha- len ersetzt und ab dem 18. Jahrhun- dert erfolgten Sofortimplantationen mit Hunde-, Schafs- und Pavianzäh- nen. Die erste Sofortimplantation mit einem konfektionierten Implantat wurde unter der Leitung von Prof. W. Schulte an der Universitätsklinik Tübingen 1976 beschrieben. Hierbei wurde ein Implantat aus reinem Alu- miniumoxid (Frialit I, Dentsply, Germany) in die palatinale Wand der frischen Extraktionsalveole einge- klopft [Schulte und Heimke, 1976]. Aufgrund hoher Verlustraten wurde diese Methode eingestellt. Stattdessen wurden Implantate verwendet, die nach der Vorbohrung in den Kno- chen eingeschraubt wurden. Nach heutiger Sicht sind verschiede- ne Zeitpunkte für eine Implantatin- sertion nach erfolgter Extraktion eines Zahns beschrieben [Hämmerle et al., 2004; Chen und Buser, 2008]. 2003 wurde bei der ITI Consensus Conference die Klassifikation der Im- plantationszeitpunkte definiert. Dabei erfolgte die Einteilung in vier Typen: \ Typ 1: Sofortimplantation \ Typ 2: Frühimplantation nach Aus- heilung der Weichgewebe (4 bis 8 Wochen Heilungszeit), \ Typ 3: Frühimplantation nach radiologisch sichtbarer Knochen- regeneration (12 bis 16 Wochen Heilungszeit) \ Typ 4: Spätimplantation (länger als 16 Wochen Heilungszeit) Chen und Buser untersuchten die klinische Relevanz der verschiedenen Implantationszeitpunkte im Zusam- menhang mit augmentativen Maß- nahmen. Im Rahmen einer Meta- Analyse wurde festgestellt, dass Aug- mentationen bei Implantationen von Typ 1 bis 3 erfolgreicher waren als bei Typ 4 [Chen und Buser, 2009]. Für eine erfolgreiche Osseointegrati- on von Sofortimplantaten werden unter ästhetischen Gesichtspunkten Kriterien beschrieben, die vorteilhaft sind. Dazu gehören intakte knöcher- ne Alveolenwände sowie mindestens 1 mm Knochendicke der vestibulären Alveolenwand, dicker Gingiva-Bio- typ, keine akute Infektion des Zahn- fachs und ausreichend verfügbarer apikaler und palatinaler Knochen zum Erreichen einer hohen Primär- stabilität [Hämmerle et al., 2004; Morton et al., 2014]. Aufgrund der Positionierung des Implantats an die palatinale Wand der Alveole entsteht ein freier Raum zwischen bukkaler Lamelle und Implantatoberfläche, die sogenannte „Jumping Distance“. Durch Umbau- prozesse nach der Extraktion kommt es unweigerlich zu einer Resorption des bukkalen lamellären Knochens [Covani et al., 2011]. Um die Resorp- tion zu minimieren, kann die Jum- ping Distance mit einem volumensta- bilen Knochenersatzmaterial befüllt werden [Araujo et al., 2011]. Für die Augmentation in der oralen Implantologie gibt es eine Vielzahl von Materialien. Dazu zählen autoge- ne, allogene, xenogene und syntheti- sche Materialien. Der Goldstandard ist autologes Material, denn es ent- hält alle Eigenschaften der Knochen- regeneration (Osteogenese, Osteoin- duktion, Osteokonduktion). Die Transplantatgewinnung geht jedoch mit einem Zweiteingriff und höherer Patientenmorbidität einher [Nkenke et al., 2002]. Deshalb werden Knochenersatzmaterialien bei der Sofortimplantation häufig bevorzugt. In experimentellen Tierstudien und klinischen Untersuchungen stellte sich autologes Dentin als vielverspre- chende Alternative zu den herkömm- lichen Knochenersatzmaterialien he- raus [Bormann et al., 2012; Jun et al., 2014; Schwarz et al., 2016; Gual-Va- qués et al., 2018; Schwarz et al., 2018; Becker et al., 2019]. Die Ähnlichkei- ten in der organischen und anorgani- schen Zusammensetzung des Dentins sowie die spezifischen osteogeneti- schen Proteine sind vergleichbar mit denen des Knochens [Kim et al., 2014]. Etwa 90 Prozent der organi- 66 | ZAHNMEDIZIN

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