Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17

zm 111, Nr. 17, 1.9.2021, (1626) US-STUDIEN Neun von zehn Medizinstudierenden haben das Hochstapler-Syndrom Studien zufolge leiden fast 90 Prozent der Medizinstudierenden unter dem Imposter- oder „Hochstapler“-Syndrom. Unabhängig von der tatsächlichen Studienleistung entwickeln sie massive Selbstzweifel. Warum gerade sie? D as Hochstapler-Syndrom oder -Phänomen (IP) ist ein psycho- logisches Phänomen, bei dem leistungsstarke Personen ihren Erfolg nicht auf sich beziehen, sondern ex- ternen Faktoren wie Glück oder Zu- fall zuschreiben und massive Selbst- zweifel an den eigenen Fähigkeiten oder ihrer Intelligenz entwickeln. Das Syndrom wurde 1978 zunächst für besonders leistungsstarke Akade- mikerinnen beschrieben [Clance & Imes, 1978], es gilt aber mittlerweile als belegt, dass Männer und Frauen gleichermaßen betroffen sind. Ver- schiedenen Studien zufolge ist es mit Persönlichkeitsmerkmalen wie Depressionen, Angstzuständen, Neu- rotizismus, geringem Selbstwertge- fühl, maladaptivem Perfektionismus, erhöhtem arbeitsbedingten Stress, Underperformance, Selbstsabotage und verminderter Karriereentwick- lung verbunden. Zur gesamtgesellschaftlichen Prä- valenz gibt es unterschiedliche Ver- mutungen, neue Forschungsarbeiten gehen davon aus, dass 70 Prozent aller Menschen in einer bestimmten Lebensphase oder unter bestimmten Umständen einmal darunter leiden. Zwei Studien haben nun die IP-Prä- valenz bei Medizinstudierenden zu Beginn, am Ende des ersten Studien- jahres sowie nach der ersten Prüfung der United States Medical Licensing Examination (USMLE) untersucht, die US-Studierende in der Regel nach zwei Studienjahren absolvieren. DAS PHÄNOMEN VERSTÄRKT SICH IM ERSTEN STUDIENJAHR Die eine Forschergruppe [Rosenthal et al., 2021] untersuchte 257 Studie- rende (128 Männer, 129 Frauen) der Pennsylvania Medical School einen Monat vor ihrem Studienstart sowie nach einem Jahr. Sie nutzte dazu den von Clance entwickelten Fragebogen CIPS, der mithilfe von 20 Parametern Inzidenz und Grad des IP prüft und auf einer dreistufigen Skala („niedrig”, „mittel”, „hoch”) klassifiziert. Die Forschenden führten verschiedene Persönlichkeitsmessungen durch, um die Empathiefähigkeit, den Grad der empfundenen Selbstachtung und -liebe sowie die empfundene Einsam- keit quantifizierbar zu machen. Er- gebnis: 32 Prozent der Studierenden wiesen vor dem Studienstart hohe, 55 Prozent moderate IP-Grade auf – lediglich bei 13 Prozent waren die Werte niedrig. Höhere IP-Werte kor- relierten dabei signifikant mit niedri- geren Werten für Selbstwertgefühl, Selbstmitgefühl und Geselligkeit. Umgekehrt hatten Studierende mit niedrigeren IP-Werten niedrigere Werte bei Neurotizismus und Einsam- keit. Am Ende des ersten Studien- jahres hatte sich der Anteil der Stu- dierenden mit hohen IP-Werten von 32 auf 49 Prozent erhöht und der Anteil in der moderaten IP-Kategorie von 55 auf 43 Prozent reduziert. Die Forschenden vermuten, dass die hohen IP-Werte vor Studienbeginn zum Teil auf den intensiven Druck und den Wettbewerb um die Zulas- sung von Bewerbern für medizinische Fakultäten zurückzuführen sein könn- ten und weiter untersucht werden sollten. Da IP ein formbares Persön- lichkeitskonstrukt ist und daher auf Interventionen reagiert, „sind unter- stützendes Feedback und kollabora- tives Lernen, Mentoring durch die Fa- kultät, akademische Unterstützung, individuelle Beratung und Gruppen- diskussionen mit Gleichaltrigen hilf- reich”. Sie berichten, dass darum an Foto: AdobeStock_vectorfusionart Unter angehenden Medizinern ist das Hochstapler-Syndrom überproportional stark verbreitet, unabhängig von Studienort und -zeitpunkt. 100 | ZM-STARTER

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