Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17

zm 111, Nr. 17, 1.9.2021, (1546) FLUTKATASTROPHE „Wir werden die Praxis abwickeln!“ Eigentlich wollte Zahnarzt Werner Jung bis zu seinem 70. Geburtstag arbeiten. Dann kam die Flut und seine Praxis wurde komplett zerstört. Noch immer ist nicht klar, ob das Haus saniert oder abgerissen wird. Auch darum ist es für ihn nicht vorstellbar wiederzueröffnen. W ie es aussieht muss das drei- geschossige Gebäude kern- saniert werden, weil sich der verbaute Kalksandstein mit dem ölkontaminierten Ahrwasser vollge- sogen hat“, berichtet Jung. „Allein dafür wird man schon ein bis einein- halb Jahre rechnen müssen“, erklärt der 67-Jährige desillusioniert. Aktuell hat das Gebäude keinen Auf- zug, die Barrierefreiheit ist für eine Neuzulassung aber notwendig. Eine Investition, die die Miteigentümer nicht mittragen wollen. Das Erd- geschoss nutzt eine Apotheke, in den Obergeschossen sind Wohnungen. Ein Gebäudeteil, in dem eine Arzt- praxis untergebracht war, musste auf- grund der Zerstörungen abgerissen werden. Ein Schicksal, das immer noch auch dem restlichen Gebäude droht. ER HOFFT JETZT AUF DIE FLUTHILFE DES BUNDES Mitte August haben vier Baugutachter Bohrproben vom Beton genommen, um den Kontaminationsgrad zu be- stimmen. Bis zur Entscheidung, ob saniert oder abgerissen wird, können noch Wochen vergehen. So lang wird es wohl auch dauern, bis Jung von seiner Elementarschadenversicherung eine Ersatzzahlung, „wahrscheinlich zwischen dem Neu- und dem Zeit- wert“ für das zerstörte Inventar, er- hält. Den Selbstbehalt hofft er über die Fluthilfe des Bundes erstattet zu bekommen. Immerhin: Eine erste Abschlagszah- lung von der Versicherung ist bei dem Zahnarzt bereits eingegangen. Die verwendet er unter anderem, um seinem Team weiter Gehalt zu zahlen. Den beiden Mitarbeiterinnen musste er ordentlich kündigen, die Arbeits- verhältnisse enden zu Ende November und Ende Februar, eine schwangere Kollegin genießt besonderen Kündi- gungsschutz. Der Zahnarzt hat bei befreundeten Kollegen Werbung für seine Angestellten gemacht, im Fall der Verwaltungsassistenz womöglich mit Erfolg. 20 BIS 30 STUNDEN WÜRDE ER NOCH ARBEITEN „Seine Damen“ hätten die Entschei- dung zur Praxisaufgabe „sehr kolle- gial“ aufgenommen, erklärt Jung, der sich durchaus vorstellen kann, seine Tätigkeit nicht ganz dranzugeben. „Ich habe mich erst einmal als Vertre- tung bei der Landeszahnärztekammer gemeldet, könnte mir aber auch vor- stellen, 20 bis 30 Stunden pro Woche einen Kollegen zu unterstützen. Wenn sich das ergibt, ist es gut – wenn nicht, dann halt nicht.“ Spannend bleibe außerdem, was mit dem Haus passiert, an dem seine Frau Dr. Monika Wegmann-Jung, Zahnärz- tin im Ruhestand, einen Miteigen- tumsanteil hält. Fällt das Gutachten negativ aus, verschwindet das Haus. So wie das Auto, das von der Ahr ein- fach weggespült und bis heute nicht gefunden worden ist. mg Fotos: privat In Werner Jungs Praxis ist nichts mehr zu gebrauchen: Die Möbel und die technische Einrichtung sind defekt und/oder kontaminiert. Mit dem Wasser der Ahr wurde Ölschlamm zwei Meter hoch durch die Räume im ersten Obergeschoss gespült. Auch Böden, Wände, Fenster – alles ist kaputt. Ein Gebäudeteil mit einer Arztpraxis musste bereits abgerissen werden, was mit dem Rest passiert – Jungs Praxis, eine Apotheke und Wohnungen – entscheidet in Kürze ein Gutachten. 20 | POLITIK

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