Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17

zm 111, Nr. 17, 1.9.2021, (1571) mengestellt, die als Orientierung die- nen können [AAE, 2010] (Tabelle 1). Ziel ist es, eine Fallauswahl für einen vorhersagbaren Erfolg zu ermöglichen. Zusätzlich kann im Rahmen einer konsiliaren Erörterung die Erhaltungs- fähigkeit und die Möglichkeit der The- rapie mit einer Endodontie-Schwer- punktpraxis abgeklärt werden. DIE SCHWIERIGKEITSGRADE Vor Beginn einer Wurzelkanalbehand- lung besteht nicht selten Unsicherheit darüber, ob eine erfolgreiche Therapie zu erwarten ist. In einer solchen Situa- tion empfiehlt es sich, die Entschei- dung zur Therapie nicht unmittelbar zum Zeitpunkt der Erstbefundung zu treffen. Mit Ausnahme einer Notfall- behandlung kann der Zeitpunkt einer Wurzelkanalbehandlung auf einen Termin mit hinreichender Behand- lungszeit geplant werden. Dieser Zeit- raum kann zusätzlich genutzt werden, den Schwierigkeitsgrad des Behand- lungsfalles auf die Therapiemöglich- keiten der Praxis hin zu prüfen. Auch die Entscheidung, ob ein Zahn tat- sächlich nicht mehr erhaltungsfähig ist, kann im Interesse des Patienten im Einzelfall mit einer Endodontie- Schwerpunktpraxis erörtert werden. Die Zuordnung eines Behandlungs- falls erfolgt in einen von drei Schwie- rigkeitsgraden. Dazu werden die anamnestischen und die klinischen Ausgangsbedingungen des Patienten, die Befunddaten und erschwerende Faktoren systematisch in kurzer Zeit bewertet. 1. BESONDERHEITEN DES PATIENTEN Es kann für den Schwierigkeitsgrad von Bedeutung sein, ob ein Patient eine normale Mundöffnung ermög- licht oder diese Mundöffnung nur für einen kurzen Zeitraum aufrechterhal- ten kann. Zurückliegende schmerz- hafte Erfahrungen oder psychische Auffälligkeiten können durch einen erhöhten Würgereiz, vermehrte Spei- chelproduktion oder einen erhöhten Zungendruck die Abwehrbereitschaft deutlich erhöhen. Bereits vorliegende Erfahrungen von Unverträglichkeiten auf Anästhetika, Medikamente, Des- infektionslösungen oder Füllungs- materialien sollten insbesondere bei einem reduzierten Gesundheitszustand einer erhöhten Aufmerksamkeit vor der Entscheidung für eine komplexe endodontische Therapie unterzogen werden [Segura-Egea et al., 2015]. 2. ZAHNBEZOGENE BEFUNDE Lässt sich auf den Röntgenbildern keine apikale Aufhellung nachweisen, ist das Wurzelkanalsystem häufig nicht mikrobiell infiziert und die Er- folgsprognose deutlich besser als bei einem infizierten Wurzelkanalsystem [Meirinhos et al., 2019]. Deshalb sollte noch vor Therapiebeginn geprüft wer- den, ob ein dauerhafter aseptischer Zugang gewährleistet werden kann oder eine bakteriendichte Aufbaufül- lung erforderlich wird beziehungs- weise realisierbar ist. Zemente haben im Vergleich zu dentinadhäsiven Füllungsmaterialien eine zu geringe Haftung zum Dentin. Die häufig zu beobachtenden Füllungsverluste und Frakturen von Zahnhartsubstanz kön- nen eine mikrobielle Kontamination des Wurzelkanalsystems begünstigen [Ahmed et al., 2014; Saunders, 1998]. Primärbehandlungen mit einer nicht mehr erhaltungsfähigen vitalen Pulpa haben eine gute bis sehr gute Prognose selbst dann, wenn nicht alle Wurzel- kanalanteile vollständig gefüllt wur- den. Die Voraussetzung dafür ist die Aufrechterhaltung einer Asepsis, die nur mit bakteriendichter Aufbaufüllung und einer absoluten Trockenlegung sicher gewährleistet werden kann. Mit einem mikrobiell infizierten Wurzelkanalsystem erhöht sich der Schwierigkeitsgrad [Ørstavik et al., 2008]. Vor allem bei mehrwurzligen Zähnen können unbehandelte, kleinere Wurzelkanäle oder Isthmen eine fort- bestehende Infektion zur Folge haben [Ng et al., 2008]. Typisch sind zweite mesiobukkale Wurzelkanäle an oberen Molaren, Isthmen an unteren Molaren und tiefe Aufteilungen unterer und oberer Prämolaren und unterer Inzisivi [Hess, 1917; Vertucci, 1987; Reuver, 2002; Wolcott et al., 2005]. Jede erneute Wurzelkanalbehandlung erhöht den Schwierigkeitsgrad allein durch Formveränderungen der Ana- tomie des Wurzelkanalsystems. Häufig treten präparationsbedingte Stufen (Ledges), Perforationen, Fragmente oder Verblockungen mit Debris auf [Ng et al., 2008]. DR. ISA HELBIG Praxis für Zahnheilkunde Kirchstr. 6, 09419 Thum Foto: privat Abb. 2: Der kleine Radius a) ist im Gegensatz zum großen Radius b) ein hohes Risiko für eine Instrumentenfraktur. Quelle: Michael Arnold a b FRANK CENDELIN Praxis für Zahnheilkunde Melanchtonstr. 7, 01099 Dresden Foto: privat

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=