Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17

zm 111, Nr. 17, 1.9.2021, (1583) KARRIERE IM AUSLAND Deutschsprachige Zahnärzte und ihre Erfolge in der Emigration ! zm 15-16/2021: Hermann Becks ! zm 17/2021: Gertrud Harth ! zm 18/2021: Georg Hindels ! zm 19/2021: Hermann Prinz ! zm 20/2021: Bálint Orbán ! zm 21/2021: Fritz Benjamin ! zm 22/2021: Kurt Odenheimer ! zm 23-24/2021: Erwin Neu ! zm 1-2/2022: William Grossmann ! zm 3/2022: Max Oppenheim ! zm 4/2022: Rudolf Kronfeld ! zm 5/2022: Hans-Jacques Mamlok Foto: AdobeStock_dadanya / AdobeStock_Framestock / AdobeStock_Archivist / AdobeStock_Antonio Gravante / AdobeStock_Alliance ihre akademische Laufbahn wurde abrupt gestoppt: Nach der Macht- übernahme Hitlers (1933) wurde sie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft – ebenso wie ihr Vorgesetzter Kanto- rowicz und ihre jüngere jüdische Kol- legin Luise Stern (1907–1967) – aus dem Hochschuldienst entlassen und jeder beruflichen Perspektive beraubt [Borchard, 1999; Formanski, 2020; Forsbach, 2006; Groß, 2021; Höpfner, 1993, 1999a und 1999b]. Harth teilte das Schicksal der Ent- rechtung mit rund 1.200 weiteren jüdischen Zahnärzten, die in der Folgezeit ihre Anstellung beziehungs- weise ihre Praxis einbüßten [Groß, 2018c und 2019; Groß/Krischel, 2020]. Während Kantorowicz nach zwischen- zeitlichen KZ-Aufenthalten in die Türkei flüchten konnte, wo er dank eines Angebots der Universität Istanbul seine wissenschaftliche und klinische Tätigkeit fortsetzte, fehlte Harth eine konkrete berufliche Per- spektive. Auch sie verließ Deutsch- land bereits 1933: Sie emigrierte zu- nächst in die Schweiz, wo sie sich bis Mitte 1936 aufhielt und „die Über- siedlung in den Nahen Osten“ sowie eine dort geplante Praxiseröffnung vorbereitete. Dabei handelte es sich um eine riskante Planung, in die sie vor allem ihren Vater einbezog: „In erster Linie mit dem Vater beriet sie sich über alle Anschaffungen, die zur Einrichtung einer Facharztpraxis als unbedingt notwendig erachtet wurden“ [Formanski, 2020]. Wie schwierig Harths damalige Situa- tion war, zeigt ein näherer Blick auf ihre Familienverhältnisse. Ihr Vater war der promovierte Biologe Joseph Harth (1877–1943), der eine Zeit lang als Schulleiter in Bentheim und späterhin bis zur Entlassung als Ober- lehrer am orthodoxen Gymnasium Jawne in Köln tätig war. Joseph Harth konnte sich nicht dazu durchringen, Deutschland zu verlassen; Gleiches galt für seine Ehefrau und Gertruds Mutter Adele Harth, geborene Block (1878–1942). Daher musste die noch unverheiratete Gertrud Harth ihre Emigrationspläne letztlich allein um- setzen; ein Entschluss, der ihren Eltern offenbar zu schaffen machte: „Die Entscheidung der Tochter zur Emigration, die wenig später auch der Sohn für sich traf, haben beide Elternteile, wenn auch schweren Herzens, akzeptiert“ [Formanski, 2020]. Vor allem die fragile politische Lage und die klimatischen Bedingun- gen in der Zielregion – dem Nahen Osten beziehungsweise Palästina – bereiteten den Eltern Sorge. SIE SCHWANKTE ZWISCHEN ISRAEL UND GROßBRITANNIEN Vieles spricht dafür, dass Gertrud Harth längere Zeit schwankte, ob sie tatsächlich nach Palästina oder doch nach Großbritannien emigrieren sollte. Fest steht, dass Harth auch das Vereinigte Königreich als Zielland ihrer Emigration erwogen und hierfür einen Antrag auf Anerkennung als Zahnärztin gestellt hat. Dieser wurde, wie eine Studie von Zamet dokumen- tiert, im Jahr 1936 vom zuständigen britischen „General Medical Council“

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