Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 111, Nr. 18, 16.9.2021, (1656) FOODWATCH-STUDIE Kinder-Produkte sind oft Zuckerbomben Mehr als 85 Prozent der Lebensmittel für Kinder sind ungesund. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue foodwatch- Studie: „Die freiwillige Selbstregulierung der Lebensmittelindustrie für ein verantwortungsvolleres Kindermarketing ist somit gescheitert.“ D ie Verbraucherorganisation foodwatch hat in ihrer Studie 283 Lebensmittel untersucht, die an Kinder adressiert sind. Dabei wurde die Nährstoffzusam- mensetzung aller Produkte, die sich in Marketing oder Werbung direkt an Kinder richten, mit den Anforderun- gen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) an ausgewo- gene Lebensmittel abgeglichen. Ergebnis: Insgesamt 242 der untersuchten Produkte (85,5 Prozent) sind danach ungesund und enthalten zu viel Zucker, Fett und/oder Salz. Sie sollten nach Kriterien der WHO eigentlich gar nicht erst an Kinder vermarktet werden. „Weder Politik noch Wirtschaft haben ihre Ver- sprechungen für einen besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Junkfood-Werbung gehalten“, bilanziert foodwatch. Im Vergleich zur foodwatch-Studie von 2015 habe sich nicht viel getan – damals rügte der Verein 89,1 Prozent der Produkte als nach WHO-Maßstäben ungesund. DAS GROS DER KONZERNE BEWIRBT NUR UNGESUNDES Die aktuelle Studie umfasst Produkte von insgesamt 16 Lebensmittelkonzernen, die schon 2007 eine Selbstver- pflichtung zu verantwortungsvollerem Kindermarketing („EU Pledge“) unterschrieben hatten – darunter Nestlé, Danone und Unilever. Die Realität sieht foodwatch zu- folge aber anders aus: So machen 10 der 16 untersuchten Konzerne heute ausschließlich Werbung für ungesunde Produkte, etwa Ferrero, Pepsico, Mars, Unilever und Coca- Cola. Die größte Anzahl an unausgewogenen Produkten bewerben Nestlé (44 Produkte), Kellogg‘s (24 Produkte) und Ferrero (23 Produkte). Bislang setzt Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) zum Schutz von Verbrauchern vor allem auf frei- willige Selbstverpflichtungen. So haben sich Unternehmen neben dem EU Pledge in Deutschland dazu verpflichtet, Zucker, Fett und Salz in ihren Lebensmitteln zu reduzie- ren. Laut foodwatch belegt die Studie jedoch, dass die freiwillige Reduktionsstrategie kaum Wirkung zeigt. Zwar habe Klöckner verkündet, dass der Zuckergehalt von Kinder-Joghurt seit 2015 um 20 Prozent gesunken sei. „Trotzdem enthalten nach wie vor fast alle Joghurts deutlich mehr Zucker als die WHO empfiehlt“, schreibt foodwatch. Dabei könnten die Folgen unausgewogener Ernährung der Verbraucherorganisation zufolge kaum dramatischer sein: „Laut Angaben der OECD wird in Deutschland etwa jeder fünfte Todesfall insbesondere von einer ungesunden Ernährung verursacht.“ Nichtsdestotrotz habe sich die Union bei einer gesetzlichen Regulierung der Werbewirtschaft bislang quergestellt. Frei- lich habe Unionskanzlerkandidat Armin Laschet kürzlich in der Lebensmittelzeitung zu besonderer Vorsicht im Umgang mit Kindern und Jugendlichen gemahnt, „die Werbeaussagen noch nicht richtig einordnen können“. Doch Verbote sieht er dabei „nicht zwingend“ als Lösung und verweist auf die freiwilligen Leit- und Verhaltens- regeln der Werbewirtschaft. FREIWILLIG WIRKT KAUM, VERBIETEN WILL MAN NICHT „Rein freiwillige Maßnahmen der Lebensmittelindustrie reichen nicht aus“, urteilt indes foodwatch. „Nach wie vor trägt die Lebensmittelindustrie mit ihren Marketing- Foto: foodwatch 242 von 283 Kinder- Lebensmitteln erfüllen wegen zu viel Zucker, Fett und Salz nicht die Nährwertempfehlungen der WHO. Sie sollten daher gar nicht an Kinder verkauft werden. Nur 14,5 Prozent ent- sprechen den Vorgaben. 10 | POLITIK

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