Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 111, Nr. 18, 16.9.2021, (1658) Darf ich meine Mitarbeiter zur Impfung verpflichten? Dr. Christopher Liebscher: Nein – auch nicht in Arzt- und Zahnarztpraxen. Erteilt ein Arbeitgeber eine Weisung, muss diese billigem Ermessen entsprechen und insbesondere die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigen. Der Arbeitgeber hat zwar ein Interesse an vor der Infektion ge- schützten Arbeitnehmern. Nach allgemeiner Auffassung ist der durch die Impfung erfolgende Eingriff in die körperliche Selbstbestimmung aber so gewichtig, dass die Interessen des Arbeitnehmers überwiegen. Kurz nach Beginn der Impfkampagne war lebhaft umstritten, ob ein Arbeitgeber für besondere Berufsgruppen, insbesondere für medizinisches Personal, die Impfung anordnen dürfe. Insoweit wurde teilweise die Impfanordnung bei Arbeit- nehmern für zulässig gehalten, die nach der Coronavirus- Impfverordnung mit höchster Priorität zu impfen seien [Naber/Schulte, NZA, 2021, 81, 83]. Nach anderer Ansicht sollte dies nur bei einer im Vergleich zum betreffenden Arbeitnehmer geringeren Impfpriosierung der betreuten Patienten gelten [Fuhlrott/Fischer, NJW, 2021, 657 Rn. 16]. Die Priorisierung ist aber bereits zum 07.06.2021 entfallen – ob sich eine vom Arbeitgeber angeordnete Impfverpflich- tung mit der Wertung einer gar nicht mehr anwendbaren Verordnung rechtfertigen lässt, ist sehr zweifelhaft. Es kann mittlerweile kein Argument mehr sein, dass nur wenige Per- sonen impfberechtigt sind und daher zum Schutz der nicht impfberechtigten Patienten in die Verantwortung genom- men werden müssen. Im Ergebnis wird der Arbeitgeber die Impfung nicht anordnen können. Auf die Möglichkeit der Impfung hat der Arbeitgeber gemäß der neugefassten SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung aber ausdrücklich hinzuweisen. Es spricht auch nichts dagegen, die Sinnhaftigkeit der Impfung näher zu erläutern. Darf ich meine Mitarbeiter nach ihrem Impfstatus fragen? In Arzt- und Zahnarztpraxen im Ergebnis Ja. Bei der Aus- kunft über den Impfstatus handelt es sich um Gesundheits- daten. Nach Art. 9 DSGVO dürfen Gesundheitsdaten grund- sätzlich nicht verarbeitet werden. Ob für den Impfstatus eine Ausnahme entsprechend § 26 Abs. 3 BDSG gerechtfertigt ist, wird aktuell diskutiert. Die geänderte SARS-CoV-2-Arbeits- schutzverordnung sieht lediglich vor, dass der Arbeitgeber einen ihm bekannten Impfstatus berücksichtigen soll, ein Auskunftsanspruch wird aber ausdrücklich nicht begründet. Für Arzt- und Zahnarztpraxen ergibt sich eine spezialgesetzliche Regelung aus Art. 88 DSGVO, §§ 23a, 23 Abs. 3 Nr. 8 IfSG. Demnach dürfen Arzt- und Zahnarztpraxen zur Infektions- vermeidung personenbezogene Daten eines Beschäftigten ARBEITSRECHTLICHE FRAGEN ZUR COVID-19-IMPFUNG Update zur Mitarbeiter-Impfung Wie steht es um die Pflicht zur Impfung für das Praxispersonal und wie ist das mit der Abfrage nach dem Impfstatus? Sind Bonuszahlungen als Anreiz erlaubt? Und darf der Arbeitgeber Unterschiede machen zwischen geimpften und nicht geimpften Mitarbeitern? Der Fachanwalt für Arbeitsrecht und Medizinrecht, Dr. Christopher Liebscher, beantwortet im Interview die wichtigsten Fragen. N ach aktuellem Stand gibt es keine gesetzliche Impfpflicht gegen/zu/für COVID-19. Allerdings besteht in Ein- richtungen des Gesundheitswesens – insbesondere auch in Arzt- und Zahnarztpraxen – ein erhöhter Schutz- bedarf. Ob der Arbeitgeber die Impfung anweisen kann oder den Impfstatus erfragen kann, wird speziell für Arzt- und Zahnarztpraxen durchaus abweichend diskutiert und eingeschätzt als bei anderen Arbeitgebern. Der Arbeit- geber muss insbesondere sicherstellen, dass nicht geimpfte Personen kein Risiko für die Patienten darstellen (§ 23 Abs. 3 Nr. 8 IfSG). Der Patientenschutz kann es demnach durchaus rechtfertigen, dass ungeimpfte Personen in bestimmten Bereichen nicht mehr tätig werden können – was wiederum Auswirkungen auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses sowie auf die gegenseitigen Rechte und Pflichten haben kann. DR. CHRISTOPHER LIEBSCHER ... ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Medizinrecht Foto: Kanzlei Meyer- Köring 12 | PRAXIS

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