Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 111, Nr. 18, 16.9.2021, (1669) Patienten für eine Behandlung voll- jährig sein. PlusDental und Smile- DirectClub behandeln ausdrücklich auch Minderjährige. Die gewerblichen Anbieter nutzen den Schönheitstrend zu geraden Zäh- nen intensiv als Geschäftsmodell und treiben die Kommerzialisierung der Kieferorthopädie beziehungsweise der Zahnmedizin weiter voran. Dabei unterliegen die Kapitalgesellschaften nicht den Kontrollmöglichkeiten der Zahnärztekammern. Ihre Werbung verstößt nach derzeitiger Rechtslage allerdings nicht mehr gegen das Ver- bot der Werbung für Fernbehandlun- gen (§ 9 HWG), denn das mittlerweile von den meisten Anbietern prakti- zierte Behandlungskonzept mit einer Eingangsuntersuchung und -bera- tung durch Partner-Zahnärzte vor Ort gilt nicht mehr als Fernbehandlung im Sinne des Gesetzes. DIESE 11 PUNKTE KRITISIEREN DIE VERBRAUCHERZENTRALEN 1. Mangelnde Kostenübersicht Ein Preisvergleich ist tricky: Auf den ersten Blick sieht es so aus, als seien die stets hervorgehobenen Monats- preise günstiger als eine Einmal- zahlung – tatsächlich sind sie am Ende aber teurer. Bei einem Anbieter (DrSmile) werden laut Verbraucher- zentrale in der Werbung für die Finanzierungshilfe keine Gesamt- beträge angegeben; teilweise fehlt die Angabe des effektiven Jahreszinses (DrSmile) oder des Sollzinssatzes (Ilovemysmile). 2. Rabatte als Lockmittel Rabattangebote oder Felder mit „Jetzt starten”, „Termin buchen” oder „Behandlung starten” könnten Ver- braucher zu voreiligen Vertrags- abschlüssen verleiten. Besonders SmileDirectClub wirbt demnach stark mit Rabatten. Herkömmliche Zahn- ärzte sind dagegen an die Gebühren- ordnung gebunden und dürfen keine Pauschal- oder Schnäppchenpreise anbieten. 3. Einseitig positive Darstellung Die Aligner-Behandlung werde bei allen vier Anbietern durchweg positiv dargestellt, auch durch ausschließlich positive Bewertungen und Kunden- meinungen sowie die ausschließlich positiven Vorher-nachher-Bilder auf Webseiten und Social Media. Dadurch könne bei Verbrauchern ein ver- zerrter Eindruck entstehen. Das gelte auch für die rein positiven Zitate von Kunden oder Patienten. 4. Nachteil Selbstabdruck Ein Do-it-yourself-Abdruck koste extra und biete eine schlechtere Qualität als ein Scan in einer Praxis. Von den untersuchten Anbietern war diese Do-it-yourself-Variante im Unter- suchungszeitraum demzufolge bei zwei von vier Firmen verfügbar (Plus- Dental und SmileDirectClub), danach nur noch bei einer (SmileDirectClub). Dies dürfte laut Verbraucherzentrale auch eine Konsequenz der Rechtslage und Rechtsprechung zur unzuläs- sigen Werbung für ausschließlich in Fernbehandlung durchgeführte Zahnbegradigungen sein. 5. Risiko App Mit der App-Nutzung stellen Ver- braucher den Unternehmen sensible gesundheitsbezogene Daten zur Ver- fügung und erfüllen damit deren in § 630f BGB niedergelegte Pflicht zur Behandlungsdokumentation, hebt die Verbraucherzentrale hervor. Die Do- kumentation der Behandlung werde somit auf die Patienten verlagert. Für diese sei aber nicht nachvollziehbar, was mit den von ihnen übermittelten Daten geschieht und wie diese bei den gewerblichen Anbietern geschützt werden. 6. Unklare Vertrags- und Rechtsverhältnisse Mit Ausnahme von Ilovemysmile war für die Verbraucher im Unter- suchungszeitraum unklar, wer die be- handelnden Partner-Zahnärzte oder -Kieferorthopäden sind. Bei Smile- DirectClub wurden sogar zeitlich befristete Pop-up-Filialen als „Smile- Shops” präsentiert. „Mittlerweile ha- ben die untersuchten Anbieter hier deutlich nachgebessert und immer mehr Partnerpraxen auf den Web- seiten gelistet”, heißt es im Fazit. Allerdings seien die Strukturen und das Kooperationsverhältnis zu den Zahnärzten undurchsichtig. Mal sei die Rede von „Partnerpraxen“, mal von „Partnerzahnärzten“, mal von Expertenteams. Dies gelte insbeson- dere dann, wenn die Anbieter als reine Behandlungsvermittler auf- treten, wie es bei DrSmile und Ilove- mysmile der Fall ist (bei SmileDirect- Club sei es nicht ersichtlich und Plus- Dental werde unmittelbarer Vertrags- partner). Dann würden die Vertrags- vermittlung, Behandlungs- und Werk- leistungen sowie die Abrechnung je- weils von einer anderen Gesellschaft erbracht. Außerdem sei der Schritt vom Eig- nungstest zum Vertragsabschluss vorab auf den Webseiten der unter- suchten Anbieter nicht nachvollzieh- bar. All dies könne es Verbrauchern im Konfliktfall erschweren, einen Anspruch gegen die Behandelnden durchzusetzen. 7. Keine Kontrolle durch Berufsaufsicht Die Aufsicht der Landeszahnärzte- kammern bezieht sich nur auf das jeweilige Kammermitglied, also auf die einzelnen Zahnärzte, nicht auf die GmbH. Ohne Erinnerung an den Namen der oder des Behandelnden seien Beschwerden bei den Aufsichts- behörden in der Regel unmöglich. Die Unternehmen als solche unter- liegen nicht der zahnärztlichen Stan- desaufsicht, sondern allenfalls der Kontrolle durch das Gewerbeauf- sichtsamt, erinnert die Verbraucher- zentrale. Da drei der vier Unternehmen maß- geblich von Kapitalgesellschaften finanziert werden, liegen demzufolge hier aber stärkere Anreize vor, gewinn- orientiert zu arbeiten, als es dem her- „Das Kontakt-reduzierte Modell der untersuchten gewerblichen Aligner-Anbieter ist nach Ansicht der Verbraucherzentralen von NRW und Rheinland-Pfalz problematisch. Vor allem sind die Webseiten der untersuchten Aligner-Anbieter längst nicht so transparent wie ihre Zahn- schienen.“ Verbraucherzentrale POLITIK | 23

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