Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18
zm 111, Nr. 18, 16.9.2021, (1678) oder Parodontitis betroffen sein kön- nen, stellen Biofilme weiterhin ein Risiko für die Entstehung oraler Er- krankungen dar. Epidemiologischen Studien zufolge leiden zwischen 15 Prozent bis über 70 Prozent aller Prothesenträger an einer Prothesen- stomatitis [Gendreau/Loewy, 2011]. Großflächig extendierter Zahnersatz bietet dabei optimale Voraussetzun- gen für die Anheftung und Ver- mehrung von Pilzen wie Candida albicans. Ist die Prothesenhygiene unzureichend, steigt das Risiko, an einer Pilzinfektion zu erkranken. Diese zeigt sich oft als prothesenkon- gruente Rötung und Reizung der von Zahnersatz bedeckten Schleimhaut und kann von Brennen, Geschmacks- beeinträchtigungen und Schmerzen begleitet sein (Abbildung 2). Pilze sind in der Lage, in tiefere Schleim- hautschichten vorzudringen [Leberer et al., 1997] und Prothesenmateria- lien zu invadieren und zu degra- dieren. Dabei kann der Prothesen- werkstoff aufgeraut werden und zu weiteren Irritationen der betroffenen Schleimhaut führen [Pereira-Cenci et al., 2008]. Neben einer antimyko- tischen Therapie der Mundschleim- haut und des Zahnersatzes kann eine Rebasierung oder Neuanfertigung der Prothese sinnvoll sein, da tief in das Material eingedrungene Pilze für die antimykotische Therapie unerreich- bar bleiben können. Das orale Mikrobiom kann auch sys- temisch auf den gesamten Organis- mus Einfluss nehmen. Parodontale Infektionen können beispielsweise die Zellalterung verstärken [Melk et al., 2014], das Risiko für Arterioskle- rose steigern und somit Herzinfarkte [Gomes-Filho et al., 2020] und Hirn- infarkte [Fagundes et al., 2019] be- günstigen sowie die Entstehung und Einstellung von Diabetes beeinflussen [Preshaw/Bissett, 2019]. Weiterhin ge- hören gastrointestinale Infektionen und Aspirationspneumonien zu dis- seminierten Infektionen, die durch die Ansammlungen von Mikroorga- nismen auf Restaurationsmaterialien verursacht werden können. Respira- torische Pathogene können zudem regelmäßig in Biofilmen auf Prothe- senoberflächen detektiert werden [O‘Donnell et al., 2016], was einen Zusammenhang zwischen dem Auf- treten von Lungenentzündungen und dem Tragen von abnehmbarem Zahnersatz nahelegt [El-Solh, 2011]. Begünstigende Faktoren wie das ganz- tägige Tragen unzureichend gepflegter Prothesen, eine schwache Abwehr- lage des Patienten und im Alter zu- nehmende Schluckstörungen können zur Entstehung von Pneumonien und zur Progression chronisch obstruk- tiver Lungenerkrankungen führen [Mojon, 2002; Scannapieco et al., 1998]. Lungenentzündungen gehören bei älteren Patienten mit einer Mor- talitätsrate von etwa 25 Prozent zu einer der häufigsten Todesursachen. Somit ist eine gründliche Mund- und Prothesenhygiene von großer Bedeu- tung und kann Pneumonie-bedingte Todesfälle reduzieren [Sjögren et al., 2008]. BIOFILME AUF ZAHNÄRZTLICHEN WERKSTOFFEN Grundsätzlich verläuft die Biofilm- bildung auf zahnärztlichen Werk- stoffen ähnlich zu der auf Zähnen. Nach der Entstehung der erworbenen Pellikel kommt es zur initialen Anla- gerung von Bakterienzellen. Darauf folgt die sekundäre Kolonisation während der Biofilmreifung und schließlich die Loslösung von Mikro- organismen aus dem Biofilm während der planktonischen Phase. Dennoch unterscheiden sich Biofilme je nach Werkstoff, auf dem sie haften. Material- eigenschaften wie die Oberflächen- rauigkeit, die Oberflächentopografie und die chemische Zusammensetzung eines zahnärztlichen Restaurations- materials können die Affinität der Bioadhäsion beeinflussen. Dabei ist zu beachten, dass die Unter- suchungen zur Bioadhärenz auf den- talen Werkstoffen nicht unbedingt immer miteinander vergleichbar sind, da die Ergebnisse stark vom De- sign der Untersuchung abhängen. Allgemein gilt jedoch, dass Mikro- organismen vermehrt an raue Werk- stoffe adhärieren. Materialunebenhei- ten wie Porositäten, Kratzer, Lücken FLORIAN FUCHS, M. SC. Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde, Universitätsklinikum Leipzig Liebigstr. 12, Haus 1, 04103 Leipzig Foto: Elena Günther Fotos: Anne Katharina Schmutzler, Florian Fuchs Abb. 3: Mit zunehmendem Polymerisationsgrad sinkt die Anhaftungsneigung von Biofilmen am Komposit. Eine gründliche Polymerisation verbessert nicht nur die mechanischen, sondern auch die biologischen Eigenschaften der Füllung. Wichtig ist eine möglichst nahe Positionierung der Polymerisationslampe, denn mit zunehmendem Abstand der Lichtquelle (von links nach rechts) nimmt die bestrahlte Fläche zu und die Lichtintensität [mW/cm²] quadratisch ab. 32 | ZAHNMEDIZIN
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