Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 111, Nr. 18, 16.9.2021, (1680) und Frakturen können von Speichel- proteinen benetzt und teilweise ka- schiert werden. Diese Pellikelschicht reduziert die Rauigkeit des Werkstoffs signifikant. Allerdings ist dieser Effekt auf besonders rauen Oberflächen weniger deutlich ausgeprägt. Unabhängig von der Oberflächen- rauigkeit können Materialien unter- schiedliche Oberflächentopografien besitzen. So zeigen einige in der Natur vorkommende biologische Sys- teme besonders Biofilm-abweisende Oberflächenstrukturen – zum Beispiel der Lotusblüteneffekt. Solche Ober- flächentopografien können bei der Entwicklung neuer Biomaterialien ge- nutzt werden. Biofilme auf Werkstoffen für die direkte Restauration Die Bioadhäsion auf direkten Restau- rationswerkstoffen wie Komposit, Amalgam und Zement weist einige Gemeinsamkeiten, aber auch Unter- schiede auf. Die bakterielle Zusam- mensetzung von Biofilmen unter Komposit- und Amalgamrestauratio- nen sind beispielsweise ähnlich [Splieth et al., 2003]. Betrachtet man jedoch die Biofilmvitalität, so beher- bergen Amalgam und Glasionomer- zement (GIZ) weniger lebende Mikro- organismen als Komposit [Auschill et al., 2002]. Auch die bakteriellen Adhäsionskräfte waren auf Glasiono- merzement kleiner als auf Komposit, stiegen jedoch für beide Materialien mit zunehmender Rauigkeit an [Sainan et al., 2016]. Klinisch beobachtet man häufiger Karies am Restaurationsrand von Kompositfüllungen als an dem von Amalgamfüllungen [Askar et al., 2017]. Die Überlebensrate direkter Restaura- tionen aus Komposit kann insbeson- dere bei Patienten mit hohem Karies- risiko kürzer sein als die von Amal- gamrestaurationen. Schrumpfung und daraus resultierende Microleakages, die Freisetzung wachstumsfördernder Substanzen und ein Mangel an anti- bakteriellen und Säure abpuffernden Bestandteilen von Kompositwerkstof- fen können mögliche Gründe für diese Beobachtung sein. Vergleicht man das Risiko für die Entstehung kariöser Läsionen am Restaurationsrand von Glasionomerzement und Komposit- versorgungen, so ist trotz der Fluorid- freisetzung des Glasionomerzements kein signifikanter Unterschied hin- sichtlich des Sekundärkariesrisikos festzustellen [Brambilla/Ionescu, 2021]. Mikroorganismen sind zudem in der Lage, einen Werkstoff zu verändern und teilweise abzubauen. Die Degra- dation direkter Restaurationen aus Komposit ist dabei stärker als die von Amalgam, wobei hochgefüllte Kom- posite weniger abgebaut werden als niedriggefüllte [Finer/Santerre, 2007]. Durch diesen Prozess können Ver- färbungen und kariöse Läsionen an der Grenzfläche von Komposit zu Zahn entstehen [Delaviz et al., 2014]. Weiterhin bewirkt die Werkstoff- degradation einen Anstieg der Rauig- keit, eine Veränderung der Ober- flächentopografie und eine Zunahme der Bioadhäsion [Nedeljkovic et al., 2017; Bourbia et al., 2013] – sowohl bei Kompositen als auch bei Gla- sionomerzementen [Busscher et al., 2010]. Auch Amalgamrestaurationen werden durch die Auflagerung von Mikroorganismen verändert. Es kommt zu einer sogenannten Biokorrosion. Allerdings sind die Korrosionspro- dukte in der Lage, potenzielle Lücken zwischen Zahn und Füllung zu ver- siegeln und damit Komplikationen wie Überempfindlichkeiten oder Se- kundärkaries zu minimieren [Mahler et al., 2009]. Häufig entsteht durch die Ablagerung von Korrosionspro- dukten ein gräulicher Schimmer in der Zahnsubstanz, der von kariösem Gewebe abzugrenzen ist. Eine weitere Einflussgröße auf das Biofilmattachment ist die chemische Zusammensetzung des direkten Res- taurationsmaterials. Amalgamversor- gungen weisen beispielsweise auf- grund ihres Silbergehalts einen deut- lichen antibakteriellen Effekt auf. Glasionomerzemente wirken auf- grund des Fluoridgehalts wachstums- hemmend auf Biofilme sowie remine- ralisierend auf die Zahnhartsubstanz [Hegde et al., 2018]. Bei Kompositen scheint unter anderem der Monomer- anteil einen Einfluss auf die Bioadhä- sion zu nehmen. Bei der Polymerisa- tion von Komposit sinkt mit zuneh- mendem Polymerisationsgrad der un- polymerisierte Monomeranteil und damit auch die Bakterienanheftung [Brambilla et al., 2009]. Aus mechani- schen und biologischen Gründen ist daher eine gründliche Polymerisation unabdingbar. Dabei sollte die Licht- polymerisation des Komposits ausrei- chend lange von allen Seiten und mit möglichst kleinem Abstand erfolgen, um die vom Hersteller angegebene Lichtleistung zu gewährleisten (Abbil- dung 3). Zudem sollte das Polymerisa- tionsgerät die Wellenlänge abdecken, bei dem der Komposit-spezifische Lichtinitiator aktiviert wird. PROF. DR. MED. DENT. SEBASTIAN HAHNEL Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde, Universitätsklinikum Leipzig Liebigstr. 12, Haus 1, 04103 Leipzig Foto: Stefan Straube Fotos: Elena Günther Abb. 4: Steggetragene Oberkieferprothese, die mit einem Riegel fixiert wird: Für die Ausgliederung des Zahnersatzes wird der Riegel geöffnet (oben) und nach der Eingliederung wieder geschlossen, um einen sicheren Prothesenhalt zu gewährleisten (unten). Die Handhabung riegelfixierten Zahnersatzes kann unter Umständen für motorisch eingeschränkte Patienten beziehungsweise ungeschulte Hilfspersonen schwierig sein. 34 | ZAHNMEDIZIN

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