Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18
zm 111, Nr. 18, 16.9.2021, (1684) Übergänge zu nivellieren. Dadurch kann die Speiseretention reduziert und die Reinigung des Zahnersatzes erleichtert werden. Darüber hinaus sollte bei dieser Patientengruppe auf Versorgungen verzichtet werden, die eine ausgeprägte Geschicklichkeit bei der Mundhygiene erfordern. Des Weiteren gibt es materialspezi- fische Unterschiede hinsichtlich des Attachments von Mikroorganismen, wobei die Studienergebnisse auch hier vom Studiendesign abhängen. Betrachtet man Prothesenwerkstoffe, so findet man Untersuchungen, die zeigen, dass beispielsweise Polyamid einer höheren C.-albicans-Akkumu- lation unterliegt als Polymethyl- methacrylat [Freitas-Fernandes et al., 2014]. Weiterhin ist die C.-albicans- Anheftung auf hydrophoben Ober- flächen größer ist als auf hydrophilen [Yoshijima et al., 2010]. Dies ist bei der Verwendung hydrophober Unter- fütterungsmaterialien auf Acrylat- oder Silikonbasis zu beachten. Sie können für weichbleibende Unter- fütterungen genutzt werden, weisen jedoch höhere Pilzanheftungen auf als beispielsweise Prothesenbasen aus Polymethylmethacrylat (PMMA) oder Urethandimethacrylat (UDMA) [Susewind et al., 2015]. Werkstoffinnovationen und Limitationen Bei der Akkumulation von Biofilmen auf zahnärztlichen Restaurationen spielt die Oberflächentopografie eine wichtige Rolle. Zahlreiche biologische Systeme reduzieren durch eine ausge- klügelte Oberflächenbeschaffenheit die Bioadhäsion und können als Vor- bild für die Weiterentwicklung von Dentalwerkstoffen dienen – zum Beispiel die Haihaut [Sakamoto et al., 2014] oder der Lotusblüteneffekt [Li/Guo, 2019]. Materialien gleicher Rauigkeit, aber unterschiedlicher Oberflächentopografie können folg- lich unterschiedliche Affinitäten für die Biofilmanheftung aufweisen [Hahnel et al., 2014; Ionescu et al., 2012; Park et al., 2012]. Das zugrunde liegende Prinzip beruht auf der An- nahme, dass Mikrostrukturierungen den Wasser-Kontakt-Winkel und somit die Hydrophobie des Werkstoffs er- höhen. Eine geringere Benetzung der OPTIMALE PROTHESENPFLEGE Mit einer guten Prothesenpflege lässt sich das Risiko für Biofilm-assoziierte Erkrankungen senken. Das Putzen mit einer Zahn- oder Prothesenbürste ist die am weitesten verbreitete Methode zur Reinigung von abnehmbarem Zahnersatz [Papadiochou/Polyzois, 2018], aber ist es auch die effektivste? Schließlich existieren unzählige Möglichkeiten, Prothe- sen zu säubern. Dabei können der Biofilm beziehungsweise die Mikroorganismen grundsätzlich mechanisch [Nikawa et al., 1999], chemisch [Nikawa et al., 1999] oder mit einer Kombination aus mechanischen und chemischen Verfahren entfernt werden [Papadiochou/Polyzois, 2018] (Tabelle 1, Abbildung). Die Vielfalt möglicher Reinigungsmethoden spiegelt sich auch in der Heterogenität der klinischen Studien zum Thema. Insgesamt ist die Datenlage bezüglich der Effektivität der Biofilmentfernung und Eliminierung von Mikroorganismen uneinheitlich [Souza et al., 2009]. Während die mechanische Reinigung von Prothesen die Oberflächen- bedeckung mit Biofilm wirksam reduziert, zeigen chemische Reinigungsmethoden eine signifikante Beseitigung von Bakterien und Pilzen wie C. species [Papadiochou/ Polyzois, 2018]. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die kombinierte Anwendung von mechanischen und chemischen Reinigungsmethoden derzeit die besten Ergebnisse hinsichtlich einer Reduktion von Biofilm und Mikroorganismen auf abnehmbarem Zahnersatz liefert [Papadiochou/Polyzois, 2018; Felton et al., 2011]. Bisher existiert keine systematisch entwickelte Leitlinie zur Reinigung herausnehmbaren Zahnersatzes. Jedoch sind Empfehlungen der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) ans Pflegepersonal und unterstützende Personen hinsichtlich der Prothesenpflege pflegebedürftiger Senioren in einem Ratgeber veröffent- licht [Elsäßer/Ludwig, 2017] (Tabelle 2). Zusätzlich stellt die BZÄK in Kooperation mit anderen Organisationen Erklärvideos für Patienten und Angehörige zur korrekten Prothesenreinigung sowie zur Zahn- und Mundhygiene bei pflegebedürftigen Senioren bereit [Bundeszahnärztekammer / Zentrum für Qualität in der Pflege, 2016a, 2016b]. Im Herbst 2021 wird zudem vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) die Veröffentlichung eines neuen Expertenstandards zum Thema Mund- gesundheit erwartet (siehe zm 11/2021 und zm 12/2021). Ziele guter Reinigungsprotokolle sollten neben einer suffizienten Entfernung von Biofilm und Mikroorganismen die Erhaltung der Integrität des Restaurationsmaterials sowie die Umsetzbarkeit für den Patienten sein. Dabei konzentrieren sich klinische Studien bis dato überwiegend auf die Effektivität verschiedener Reinigungskonzepte, wohingegen es an klinischen Untersuchungen bezüglich der putzmethodenabhängigen Materialveränderungen sowie der klinischen Umsetzbarkeit durch den Patienten mangelt. Fotos: Anne Katharina Schmutzler, Florian Fuchs Reinigung einer Oberkiefertotalprothese mit einer Prothesenbürste und Prothesenschaum: Die Pro- thesenbürste besitzt im Gegensatz zur Zahnbürste zwei Köpfe mit unterschiedlichen Borstenlängen und -anordnungen zur besseren Zugänglichkeit der verschiedenen Bereiche des Zahnersatzes und ist damit der Zahnbürste vorzuziehen. 38 | ZAHNMEDIZIN
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