Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 111, Nr. 18, 16.9.2021, (1688) DER BESONDERE FALL MIT CME Die Koronektomie – Renaissance eines alten Verfahrens? Saskia Schröger, Ralf Schulze, Peer W. Kämmerer Liegen Wurzeln eines Weisheitszahnes nahe am Nervus alveolaris inferior, wächst die Gefahr einer Nervschädigung im Zuge der Extraktion. Um dieses Risiko zu vermeiden, ist in den vergangenen Jahren die selektive Entfernung der Krone bei gleichzeitigem Belassen der Wurzeln (Koronektomie) wieder in den Fokus gerückt. Der vorliegende Beitrag präsentiert zwei Patientenfälle und diskutiert ausführlich die Indikationen für das Verfahren. D ie operative Entfernung von Weisheitszähnen ist eine der häufigsten ambulant durchge- führten Operationen und wird in der Literatur immer wieder kontrovers diskutiert [Devine et al., 2017; AAOMS, 2013; Dodson und Susarla, 2014]. Ins- besondere wenn ein erhöhtes Risiko für eine Schädigung des N. alveolaris inferior besteht, ist eine Abwägung der verschiedenen Operationstechniken von hoher Relevanz. Um die diffe- renzialtherapeutische Entscheidungs- findung zu unterstützen, sind in der aktuellen DGZMK-Leitlinie Indikatio- nen für die Technik der Koronektomie benannt [DGZMK, 2019]. Bei der Koronektomie wird die Zahn- krone selektiv mit dem gesamten Schmelzanteil entfernt und die Zahn- wurzeln werden in situ belassen, ohne direkt oder indirekt den Nerv zu schädigen. Die Methode geriet in Deutschland etwas in Vergessenheit. Durch die aktualisierte Leitlinie und verbesserte radiologische Bildgebung, insbesondere durch die DVT, findet die Koronektomie nun wieder mehr Beachtung und stellt eine geeignete Therapieoption zum Schutz des N. al- veolaris inferior bei enger Lagebezie- hung zu retinierten oder impaktierten Zähnen dar [Brauer et al., 2015]. KASUISTIK 1 Im Februar 2021 stellte sich eine 55-jährige Patientin nach Überwei- sung durch einen Oralchirurgen erst- malig in der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universitätsmedizin Mainz vor. Die allgemeine Anamnese ergab Schmerzen und gelegentliche Hyp- ästhesien beidseits im Unterkiefer, die seit etwa einem Jahr vorwiegend nach Kaubelastungen auftraten und mittels Physiotherapie behandelt wurden. Der Zahn 18 war bereits komplikationslos entfernt worden. Vier Wochen vor der Untersuchung in der Universitätsmedizin Mainz war es bei der Patientin vor allem im Bereich des retinierten Zahnes 38 zu einer akuten Schmerzexazerbation im Unterkiefer gekommen. Nach weite- ren zwei Wochen war zudem erst- malig Pus in Regio 38 ausgetreten, woraufhin die Patientin von unserem Kollegen mit der Verdachtsdiagnose Quelle: Universitätsmedizin Mainz Abb. 1: Kasuistik 1, Radiologischer Ausgangsbefund – Panoramaschichtaufnahme: Zahn 28 in Infraposition, retinierter 38 und retinierter 48 mit enger Lagebeziehung zum Nervus alveolaris inferior 42 | ZAHNMEDIZIN

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