Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18
zm 111, Nr. 18, 16.9.2021, (1694) ten von 68,4 Prozent [Blondeau und Daniel, 2007]. Im Durchschnitt wird sie zwischen 5 und 10 Prozent ange- geben [Bui et al., 2003; Sisk et al., 1986; Blondeau und Daniel, 2007]. Neben der klassischen Weisheitzahn- entfernung wird in der aktuellen Leit- linie die Koronektomie aufgegriffen. Diese Methode wurde bereits 1989 durch Knutsson et al. als Alternativ- therapie zur Weisheitszahnentfernung in toto beschrieben, um dauerhafte, postoperative Sensibilitätsstörungen zu vermeiden [Wolf and Renton, 2016; Knutsson et al., 1989]. Insbe- sondere in Großbritannien rückte sie in den vergangenen Jahren mehr in den Fokus und wird häufig positiv bewertet [Renton et al., 2005; Renton, 2012]. Laut einer Befragung von Mit- gliedern der British Association of Oral Surgeons (BAOS) wurden 2015 in 73 Prozent der Fälle Koronektomien angeboten [Devine et al., 2017]. Interessant ist eine Studie von Cra- meri et al. [2018], die eine anonyme Befragung von 266 Oral- und Mund- Kiefer-Gesichts-Chirurgen in der Schweiz zum Thema Koronektomie durchführten. 51,6 Prozent gaben an, die Technik als unzuverlässig anzu- sehen. Bei einem hohen Risiko für eine Nervschädigung des N. alveola- ris inferior wurden in 40,6 Prozent der Fälle Koronektomien angeboten, etwa 69 Prozent konnten sich eine Koronektomie vorstellen und 54,8 Prozent hatten bisher noch nie eine Koronektomie durchgeführt. Die Au- toren nehmen an, dass die Ursache dieser eher kritischen Einstellung daher rührt, dass die Technik nicht verbreitet oder deren technische Um- setzung nicht ausreichend bekannt ist [Crameri und Kuttenberger, 2018]. Im Vergleich zur klassischen Zahn- extraktion wird die Rate des postope- rativen Infektionsgeschehens ähnlich hoch eingeschätzt [Leung und Cheung, 2009]. Nach einer Koronektomie kann in zehn bis zwölf Prozent der Fälle eine Alveolitis auftreten. Diese wird wie nach einer Zahnextraktion mittels Wundspülung und Wunddrainage behandelt [Renton et al., 2005; Wolf und Renton, 2016]. Die Inzidenz einer Alveolitis wie auch von Sensibi- litätsstörungen wird nach einer Ko- ronektomie jedoch geringer als nach klassischer Zahnentfernung einge- schätzt [Cervera-Espert et al., 2016]. Nach einer Koronektomie besteht hingegen das Risiko der Migration Abb. 8: Kasuistik 2, a: Halbseiten-OPTG postoperativ 2014, b: Verlaufskontrolle 2015, c: Verlaufskontrolle 2016, d: Verlaufskontrolle 2017. Quelle: Universitätsmedizin Mainz Abb. 9: Kasuistik 2, Regio 38 im DVT von 2021 von links nach rechts in sagittaler und koronarer Ansicht Quelle: Universitätsmedizin Mainz FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Die Koronektomie kann als geeignete Alternative zur klassischen Weisheitszahnentfernung bei enger Lagebeziehung zum N. alveolaris inferior im Unterkiefer zu dessen Schutz bewertet werden. \ Die Koronektomie ist ausschließlich bei gesunden Patienten indiziert. Sie sollte die klassische Weis- heitszahnentfernung nicht ersetzen, sondern für Fälle mit hohem Schädigungsrisiko vorbehalten bleiben. \ Bei komplex erscheinender Lage und Lage- beziehung des zu entfernenden Zahnes zum Canalis mandibulae im OPG kann eine digitale Volumentomografie zur weiterführenden Diagnostik in Erwägung gezogen werden. 48 | ZAHNMEDIZIN
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