Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 111, Nr. 18, 16.9.2021, (1696) des Wurzelblocks oder dessen intra- operatives Anluxieren. Oftmals muss der Wurzelblock dann in einem Zweiteingriff entfernt werden. Um eine Migration des Wurzelblocks frühzeitig zu erkennen, sind radio- logische Verlaufskontrollen notwen- dig [Wolf und Renton, 2016; Renton, 2012]. In den ersten zwölf Wochen ist die Tendenz zur Migration erhöht. Die Distanz beträgt nach einer Studie im Durchschnitt etwa 1,9 mm. Da- nach nimmt die Tendenz ab, es kön- nen aber Maximalwerte bis zu 6 mm erreicht werden [Leung und Cheung, 2009]. Laut einer aktuelleren Studie kann die Migrationstendenz bei Koronektomien aber verringert wer- den, wenn diese mit der sogenannten Guided-Bone-Regeneration-Technik kombiniert wird. Bei dieser Technik wird Knochenersatzmaterial auf den Wurzelblock aufgetragen. Anschlie- ßend werden das Material mit einer Kollagenmembran bedeckt und die Wunde dicht verschlossen. Die Auto- ren gehen davon aus, dass dabei das Risiko einer Exposition des Wurzel- blocks nach mehr als drei Jahren verringert werden kann, da die Wurzelblöcke von regenerierendem Knochen bedeckt werden. Dadurch kann ein Zweiteingriff vermieden werden [Leung, 2019]. Histologische Untersuchungen verbliebener Wur- zelblöcke nach Koronektomie, die in einem Zweiteingriff entfernt wurden, zeigten, dass diese keine Anzeichen einer Inflammation oder Nekrose auf- wiesen. Patel et al. beschrieben in allen Wurzeln vitales Pulpengewebe und keine Hinweise auf eine peri- radikuläre Entzündung. Persistierende postoperative Symptome wurden auf eine Entzündung des Weichgewebes und eine Störung der Wundheilung zurückgeführt [Patel et al., 2014]. Kontraindikationen für eine Koro- nektomie ergeben sich bei Pulpa- nekrose, Karies profunda mit Pulpitis oder horizontaler Verlagerung. Zudem sollte eine Koronektomie vermieden werden, falls die Patienten immun- supprimiert sind, unter Diabetes lei- den oder Bisphosphonate einnehmen [Wolf und Renton, 2016]. Die Koro- nektomie ist ausschließlich bei ge- sunden Patienten indiziert, wenn eine komplexe oder nahe Lage der Zahnwurzeln zum N. alveolaris infe- rior besteht. Sie sollte eine klassische Weisheitszahnentfernung nicht erset- zen [Wolf und Renton, 2016], son- dern als Alternative für Fälle mit ho- hem Schädigungsrisiko vorbehalten bleiben [DGZMK, 2019]. Einige Autoren sind der Meinung, dass die Verfügbarkeit von dreidimensio- nalen Bildinformationen die Risiko- stratifizierung für die OP-Planung verbessern kann, wenn Risikofakto- ren durch eine zweidimensionale Bildgebung nicht auszuschließen sind [Eyrich et al., 2011; Umar et al., 2013; Renton, 2012]. Die European Academy of DentoMaxilloFacial Ra- diology (EADMFR) verweist darauf, dass die digitale Volumentomografie nicht als Routineuntersuchung ge- nutzt werden sollte, sondern nur für spezifische Fragestellungen, die in der zweidimensionalen Aufnahme nicht beantwortet werden können. Im Fall der Koronektomie sollte diese Unter- suchung also nur dann angewendet werden, wenn die Weisheitszähne bereits erhöhte Risikofaktoren für eine Nervschädigung aufweisen [Matzen und Berkhout, 2019]. Zu diesen Faktoren zählen eine apikale Abweichung des Nervenkanals, eine Aufhellung im Wurzelbereich durch dessen Überlagerung sowie eine unter- brochene Lamina dura des Nerven- kanals [Alantar et al., 1995]. Die EADMRF verglich diverse Studien und schlussfolgerte, dass die prä- operative 3-D-Planung das Auftreten von postoperativen Sensibilitäts- störungen nach einer Weisheitszahn- entfernung im Vergleich zur prä- operativen zweidimensionalen Bild- gebung nicht reduzieren kann [Mat- zen und Berkhout, 2019]. Auch in der aktuellen AWMF-Leitlinie wird ein DVT oder CT nur für Ausnahmefälle empfohlen [DGZMK, 2019]. Abschließend kann in Anbetracht des aktuellen Forschungsstands die Ko- ronektomie als gute Alternative zur klassischen Weisheitszahnextraktion im Unterkiefer bei enger Lagebeziehung zum N. alveolaris inferior zu dessen Schutz bewertet werden. Um das operative Vorgehen besser planen zu können, kann bei komplex erschei- nender Lage und Lagebeziehung des zu entfernenden Zahnes zum Canalis mandibulae im OPG eine digitale Volumentomografie zur weiterfüh- renden Diagnostik in Erwägung gezo- gen werden [Eyrich et al., 2011]. \ DR. MED. SASKIA SCHRÖGER Klinik und Poliklinik für MKG-Chirurgie der Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 3, 55131 Mainz saskia.schroeger@unimedizin-mainz.de Foto: Universitätsmedizin Mainz PROF. DR. MED. DENT. RALF SCHULZE Sektionsleiter zahnärztliche Radiologie Klinik und Poliklinik für MKG-Chirurgie der Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 3, 55131 Mainz Foto: Zitelsperger ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion ange- fordert werden. UNIV.-PROF. DR. DR. PEER W. KÄMMERER, MA, FEBOMFS Leitender Oberarzt und stellvertretender Klinikdirektor Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen, Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz peer.kaemmerer@unimedizin-mainz.de Foto: privat 50 | ZAHNMEDIZIN

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