Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 111, Nr. 18, 16.9.2021, (1700) ZM-REIHE: KARRIEREN IM AUSLAND KZ-Häftling, Wissenschaftler, Hotelier – die drei Leben des Georg Hindels Dominik Groß Georg Hindels emigrierte 1939 von Wien aus in die USA. Dort machte er Karriere als zahnärztlicher Hochschullehrer, Praxisinhaber und Hotelier. Dieser Beitrag blickt zurück auf ein ungewöhnlich ereignis- und wendungsreiches Leben. G eorg Hindels (später: Georg Warren Hindels, Abb. 1) wurde am 13. Februar 1914 in Wien geboren [Columbia University, Bulletin, 1946ff.; Columbia Univer- sity, Catalogue, 1939ff.; Depmer, 1993; Handbuch, 2002; New York Times, 1998; Posch, 2021; Who’s Who, 1955]. Sein Vater war der jüdische Handelsvertreter Heinrich Hindels (1877–1947), seine Mutter die ge- lernte Schneiderin Adele Hindels, geborene Weiss. Beide stammten aus der Slowakei. Hindels fasste nach der Matura den Entschluss, Medizin zu studieren. Er schrieb sich 1933 an der Universität Wien ein und gelangte bis zum 10. Studiensemester [UA Wien, 1938–38]: Kurz vor dem Ende seiner Ausbildung – im Mai 1938 – wurde er verhaftet und in KZ-Haft genommen, zuerst in Dachau, dann in Buchenwald. Wenige Monate vorher hatte Hitler Österreich als sogenannte Ostmark an das Deutsche Reich angegliedert („Großdeutsches Reich“) und umfang- reiche antijüdische „Säuberungen“ an den Universitäten veranlasst, denen auch Hindels zum Opfer fiel [Dental Examiner, 1999]. Durch glückliche Umstände wurde er im April 1939 aus Buchenwald entlassen. Die Freilassung nutzte Hindels zur Flucht in die USA. Dort schrieb er sich noch im selben Jahr für das Studium der Zahnheilkunde ein – und zwar an der School of Dental and Oral Surgery der Columbia University (SDOS) in New York. 1943 schloss er die Ausbildung mit dem DDS (Doctor of Dental Surgery) ab. Er promovierte mit der Studie „A Grenz-Ray study of secondary den- tin“ [Hindels/Kaplan, 1943]. Im Verlauf des Jahres 1944 wurde er Research Assistent an der SDOS und im Dezember 1944 ließ er sich zudem in eigener Zahnarztpraxis in New York City nieder. Privat lebte er in Scarsdale, einer kleinen Stadt rund 40 Kilometer nördlich von New York City. 1946 avancierte er zum Instructor an der SDOS, 1949 dann zum Assistent Cli- nical Professor of Prosthetic Dentistry ebenfalls an der SDOS der Columbia University. 1957 wurde er schließlich Associate Clinical Professor of Den- tistry ebenda – eine Position, die er bis etwa 1960 inne hatte. Zudem blieb Hindels bis ins Rentenalter in New York City als Zahnarzt tätig. In den 1980er-Jahren gelang ihm dann eine zweite Karriere als Hotelier auf den Virgin Islands (Jungferninseln) in Saint Croix. Er verstarb am 12. August 1998 in New York. „THE JEWS WERE ONLY GUESTS IN AUSTRIA“ Nach 1933 (Drittes Reich) beziehungs- weise 1938 (Großdeutsches Reich) sahen sich viele jüdische Ärztinnen und Ärzte sowie Zahnärztinnen und Zahnärzte zur Emigration gezwungen – gerade auch in Wien [Groß, 2019; Groß, 2021; Groß/Krischel, 2020; Kröner, 1983; Reinecke et al., 2019; Schunck/Gross, 2021; Sziranyi et al., 2019; Uhlendahl et al., 2021; Wilms/Groß, 2020]. Insofern scheint Hindels Lebenslauf auf den ersten Blick nicht herauszustechen. Doch Foto: Privatarchiv Dorothy Hindels-Brown – mit freundlicher Genehmigung Abb. 1: Georg Hindels 54 | GESELLSCHAFT

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=