Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18
zm 111, Nr. 18, 16.9.2021, (1720) von Besprechungen und Korrespon- denzen mit Patienten. Sollte dem Mann Schadenersatz zugesprochen und seine Klage zu einem Präzedenz- fall werden, könnten sich künftig – wie in den USA bereits zu beobachten ist – Sammelklagen von Patienten gegen von Ransomware betroffene Unternehmen richten – und so die finanzielle Bedrohung durch Cyber- kriminalität zusätzlich verschärfen. ES GEHT ZU WIE IM DIGITALEN „WILDEN WESTEN“ Mitte Juli 2021 erneuerte INTERPOL- Generalsekretär Jürgen Stock auf einem Kongress zum Thema Ran- somware seine Warnung und forderte die Polizeibehörden weltweit auf, eine globale Koalition mit Industrie- partnern zu bilden, um eine mög- liche „Ransomware-Pandemie” abzu- wenden. Es gebe zwar bereits einige nationale Lösungen oder Partner- schaften, für die effektive Verhinde- rung von Ransomware-Angriffen sei jedoch die gleiche internationale Zusammenarbeit erforderlich, wie es sie zur Bekämpfung von Terrorismus, Menschenhandel oder Mafiagruppen gibt. Ransomware entwickele sich aktuell zum „Wilden Westen” des digitalen Raums, in dem jeder zu jedem Zeit- punkt Opfer werden kann, warnte auf derselben Veranstaltung auch Tal Goldstein vom Centre for Cyber- security beim Weltwirtschaftsforum. Er betonte, die Eindämmung von Ransomware erfordere kollektive Anstrengungen. Dass es die bislang noch nicht gibt, zeigen Vorfälle, die sich etwa zur selben Zeit ereigneten: Anfang und Mitte Juli haben Cyberkriminelle den Landkreis Anhalt-Bitterfeld sowie die Stadtverwaltung und das Klinikum Wolfenbüttel angegriffen. Als zur Sicherheit die Systeme herunter- gefahren werden mussten, ging zwischenzeitlich nichts mehr: Im Kli- nikum musste die Dokumentation vorübergehend auf Papier und Hand umgestellt werden, teilte die Stadt- verwaltung mit. Nach bisherigen Erkenntnissen wurden aber keine Patientendaten gestohlen. Anfang August 2020 schlug dann der Branchenverband Bitkom Alarm: Rund 223 Milliarden Euro Schaden seien der deutschen Wirtschaft hoch- gerechnet 2020 durch digitalen Diebstahl, Spionage und Sabotage entstanden, rund doppelt so viel wie in den beiden Vorjahren. Haupttreiber des enormen Anstiegs seien Erpressungsvorfälle, verbunden mit dem Ausfall von Informations- und Produktionssystemen sowie der Störung von Betriebsabläufen. Diese seien meist unmittelbare Folge von Ransomware-Angriffen. Die so ver- ursachten Schäden haben sich im Vergleich zu den Vorjahren 2018/2019 mehr als vervierfacht (+358 Prozent), berichtet der Verband und verweist auf eine repräsentative Umfrage, nach der 88 Prozent aller Unternehmen 2020 von Angriffen betroffen waren, heißt es. Und: Jedes elfte Unterneh- men (9 Prozent) sieht seine geschäft- liche Existenz durch Cyberattacken bedroht. Mittlerweile hat die Politik reagiert. Im Oktober 2020 ist in Deutschland das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) in Kraft getreten, das es dem Bund erlaubt, seit Januar 2021 3 Milliarden Euro bereitzustellen, damit Krankenhäuser in moderne Notfallkapazitäten, die Digitalisierung und ihre IT-Sicherheit investieren können. Die Länder sollen weitere Investitionsmittel von 1,3 Milliarden Euro aufbringen. Wie wichtig und gleichzeitig kleinteilig IT-Sicherheit ist, offenbaren im August 2021 vom Sicherheits-Dienstleister McAfee auf- gezeigte Sicherheitslücken in Infu- sionspumpen des deutschen Herstel- lers B. Braun (siehe Kasten). GOOGLE UND MICROSOFT INVESTIEREN 30 MILLIARDEN In den USA hat Präsident Joe Biden jüngst Führungskräfte aus den Be- reichen Big Tech, Bildung, Finanzen und Infrastruktur zu einem Cyber- sicherheitsgipfel ins Weiße Haus ge- laden und verpflichtet, die Sicherheit kritischer Infrastrukturen zu stärken. Ergebnis: Die nationalen Behörden werden mit Unternehmen wie Apple, Amazon, Google, IBM und Microsoft zusammenarbeiten, um neue Stan- dards für die Sicherung von Techno- logie und Open-Source-Software zu schaffen. Apple will demnach auf die Mas- seneinführung von Multi-Faktor- Authentifizierungen, Schwachstellen- behebungen, Ereignisprotokollierung und Sicherheitsschulungen drängen. Google wiederum hat zugesagt, in den kommenden fünf Jahren 10 Mil- liarden US-Dollar zu investieren, um Sicherheitsprogramme auszubauen und die Risiken der Software-Liefer- kette zu sichern. Microsoft will im selben Zeitraum sogar 20 Milliarden US-Dollar investieren, um seine Sicherheitslösungen und -initiativen zu verbessern. Als Sofortmaßnahme sollen 150 Millionen US-Dollar für Bundes-, Landes- und Kommunal- regierungen zur Verfügung gestellt werden, um deren Schutz gegen Cyberkriminalität zu verbessern. Beim Thema Sicherheitsschulungen kommen Amazon und IBM ins Spiel. Der Versandhandelsriese will die 74 | GESELLSCHAFT
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