Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 111, Nr. 18, 16.9.2021, (1726) D ie 32-jährige Zahnärztin Dr. med. dent. Nora Joos wird bald die Berliner Praxis ihres Vaters übernehmen und kennt als Sprecherin der Interessengemein- schaft Junge Zahnmedizin (IJZ) im Verband der Zahnärztinnen und Zahnärzte von Berlin die Wünsche und Sorgen junger Zahnmediziner. Sie vertritt die Meinung, dass junge Zahnmediziner die Selbstständigkeit wählen sollten. Die Entscheidung für die Selbst- ständigkeit ist Joos zufolge eine Typ- frage. Außerdem sei der Wunsch nach dem Grad der Selbstbestimmt- heit entscheidend. „Selbstständige müssen ihre Ideen und Konzepte nicht anpassen und mit einem Chef abstimmen, sondern treffen selbst die Entscheidungen“, betont sie. Wenn man den Freiheitsdrang stark in sich spürt, sei die eigene Praxis der richtige Weg. ZAHNÄRZTE GEHEN FRÜHER IN DIE SELBSTSTÄNDIGKEIT Für Männer sei dieser Schritt nach dem Studium allerdings einfacher als für Frauen. „Junge Zahnärzte wählen früher den Weg in die Selbstständig- keit, während die Kolleginnen zu- nächst ihren Wunsch nach Familien- planung umsetzen“, hat Joos im eige- nen Umfeld festgestellt. Dennoch plädiert sie dafür, nach dem Studium nichts zu überstürzen. In den ersten fünf Jahren sei eine Anstellung ver- nünftig, um Erfahrungen zu sammeln, sich weiterzubilden und herauszufin- den, auf welchem Gebiet man sich spezialisieren möchte. Diese Zeit benötige man, um souverän in der Behandlung und im Umgang mit Patienten zu werden. Der Trend gehe dahin, dass man sich als Zahnmedi- ziner spezialisiert oder Schwerpunkte setzt. Und dann müsse der Ort für die Niederlassung eben zum Fachgebiet passen. „Es macht wenig Sinn, sich in einer Gegend niederzulassen, in der der demografische Wandel bereits weit fortgeschritten ist, wenn man sich zum Beispiel auf die Behandlung von Kindern spezialisiert“, erklärt Joos. Eine zusätzliche Herausforderung für die Praxen sei natürlich die Corona- Situation gewesen – und sei es noch. Viele Zahnärzte hätten sich im Stich gelassen gefühlt. Die Politik habe das Bild vermittelt, den Zahnärzten gehe es während der Pandemie gut. „Das war eine Geringschätzung des Berufs- stands. Die Anforderungen den Pra- xisbetrieb aufrechtzuerhalten, waren im Gegenteil sehr hoch. Und viel- leicht hat der Störfaktor Corona bei den jungen Zahnärztinnen und Zahnärzten für noch etwas mehr Un- ruhe und Verunsicherung gesorgt“, so ihr Fazit. Das vielzitierte „selbst und ständig“ stelle durchaus eine Hürde dar, die junge Zahnmediziner zunächst davor abschreckt, sich niederzulassen. Viele tendierten zu einer ausgeglichenen Work-Life-Balance. Diese Vorstellung lasse sich eher mit einem „guten Arbeitgeber“ vereinbaren. Außerdem müssten Zahnärzte immer mehr do- kumentieren. Der Bürokratieaufwand nehme extrem viel Zeit in Anspruch. „Junge Zahnmediziner wollen behan- deln und sich nicht 15 Stunden in der Woche mit Bürokratie rumschlagen müssen“, kritisiert Joos. Auch die Digitalisierung müsse von der Politik besser und geordneter umgesetzt wer- den. Insbesondere für ländliche Pra- xen stelle diese eine große Herausfor- NIEDERLASSEN ODER ANGESTELLT SEIN? Eine Frage der Erfahrung Wofür entscheiden sich junge Zahnmediziner nach ihrer Assistenzzeit – für die eigene Niederlassung oder für eine Anstellung? Eine Zahnärztin und ein Zahnarzt erzählen, welchen Weg sie gewählt haben, was für die Selbstständigkeit spricht und welche Vorzüge eine Anstellung bietet. Foto: Hr. Venus Dr. med. dent. Nora Joos stammt aus einer Berliner Zahnarztfamilie: Bereits ihr Großvater hatte eine eigene Zahnarztpraxis, auch ihre ältere Schwester ist Zahnärztin. Seit 2018 arbeitet Joos als angestellte Zahnärztin in der Praxis ihres Vaters, die sie noch in diesem Jahr übernehmen will. 80 | PRAXIS

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